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Hari Seldon und der Vudu

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    Hari Seldon und der Vudu

    Hallo zusammen,


    Ich habe eine ziemlich grosse Story geschrieben, schon fast ein kleiner Roman. Den wollte ich hier mal hochschalten, und hoffe vielleicht auch auf den einen oder anderen Kommentar. Alles in allem ist es eine ziemlich lange Geschichte, und sie ist wohl ueber eine Strecke hinweg zu kitschig-sentimental, an anderen Stellen vielleicht komisch. Aber ich moechte das mal dem Leser ueberlassen...

    Ich werde die Kapitel fortsetzungsmaessig aufschalten, im Laufe der naechsten Wochen. Das liegt daran, dass ich (oldschool) noch mit Schreibmaschine schreibe, und die Kapitel zuerst digitalisieren muss.

    Zur Vorgeschichte:
    Es ist vielleicht ein bisschen schwierig, einige Stellen zu verstehen. Das liegt daran, dass wir bei uns in der Gilde eine hohe RPG-Aktivitaet haben, Gilde „Tavernenschreck“ auf S12. Im Laufe der letzten Monate haben sich im Chat die Figuren entwickelt.

    Der Protagonist dieser Geschichte ist Hari Seldon, ein Gnom-Magier, ein Illusionist und der „Tavernenphilosoph“, der eine eigene Bibliothek an das Klohaus angebaut hat. Zu diesem Zeitpunkt ist Hari Seldon auf einer Reise, dies ist also ein „Soloabenteuer“. Der Hintergrund hat zwei Gruende: Ich bin persoenlich fuer mehrere Monate ausser Land. Und der zweite ist, dass Hari und die daemonische Bardame des „Tavernenschreck“ seit Monaten eine Art Zuneigung zueinander entwickelt haben, die sie sich selber nicht eingestehen moechten (ein ewiges hin und her, das es schmerzt). Deswegen hat sich Hari dazu entschieden, fuer ein paar Monate zu verschwinden um mal einen klaren Kopf zu erhalten.

    Ich gebe zuerst noch die Charakterbeschreibung, und dann gehts gleich zum ersten Kapitel.
    Zur Rechtschreibung noch ein Hinweis: Die Tastaturen hier sind englischsprachig, sprich y und z sind ausgetauscht, und es gibt keine Umlaute. Das heisst, es schleichen sich manchmal Tippfehler ein, die auch beim Gegenlesen nicht entdeckt werden. Und an die Sache mit den fehlenden Umlauten gewoehnt (sic!) man sich mit der Zeit.

    Dann noch eine Anmerkung: Viele der Woerter, die im Zusammenhang mit dem Vudu auftreten, haben eigentlich Sonderzeichen, und sollten im Zweifelsfall immer franzoesisch gedacht werden (z.B. Guédé oder Vévé, obwohl „Guede“ und „Veve“ steht). Weil auch diese Sonderzeichen sind auf den Tastaturen hier nicht vertreten.

    Also dann, hier noch die Charakterbeschreibung von Hari Seldon (muss man nicht, darf man aber lesen - die Story laesst sich auch so verstehen, ist mehr ein Schmankerl):



    Zuletzt geändert von Hari Seldon; 18.05.2012, 01:06. Grund: Kapiteluebersicht aktualisieren
    - Die Abenteuer der RPG-Gruppe aka die Tote Harpyie aka die Nachtschicht des Chats
    - Solostory des Gnoms: Hari Seldon und der Vudu

    #2
    Kapitel 1 - Ankunft

    Kapitel 1

    Hari Seldon lehnte sich an die Reling und schaute zur Kueste. Vor seinen Augen lag die Hafenstadt Port-at-Baile. Es war Mittagszeit und die Stadt lag in der bruetenden Tropenhitze. Hinter ihm erklang die Stimme des Kapitaens:
    “Jammerschade, dass ich so einen guten Navigator verliere.”

    Hari drehte sich um und laechelte. Der kapitaen, ein Wikingerraubein, gross und baertig, blickte an Hari vorbei zur Kueste. Hari hatte sich die Ueberfahrt als Navigator verdient, so wie er es bereits vor einigen Jahren gemacht hatte. Damals war er zur See gefahren zuerst auf Handelsschiffen, spaeter auch mit Piraten, oder wie es die Wikinger bevorzugten, sich zu nennen, mit den “ehrbaren Geschaeftsmaennern, die manchmal laut werden”. Auch damals war er hier vor der Kueste gewesen, hatte auf Port-at-Baile geblickt und der Kapitaen hatte sein Bedauern geaeussert.

    “Ich wuesste niocht,” fuhr der Kapitaen fort, “was ich auf dieser Insel wollte. Zu heiss, die Leute nicht ganz dicht. Denen brennt die Tropensonne zu stark aufs Hirn. Und mausearm. Nichts fuer uns ehrbare Geschaeftsmaenner, die manchmal laut werden.”
    Der Kapitaen murmelte noch weiteres in seinen Bart, er war auch gar nicht darauf aus, eine Antwort zu erhalten, sondern wollte bloss fuer sich selber sprechen.

    Hari kniff die Augen zusammen und musterte die Hafenstadt. Es hatte sich kaum etwas veraendert, seit seinem letzten Besuch. Ob das wohl auch fuer die Menschen galt? Das letzte mal war er drei Jahre hier geblieben, er hatte sich verfuehren lassen und war der topischen Traegheit zum Opfer gefallen, dem Rum, den Ritualen und Zeremonien. Er war selber Teil des Kultes geworden, den man hier pflegte. Auf dem Festland wusste man nur wenig daueber, deswegen war er auch hierher gekommen. Was man daueber wusste, war verzerrt und entstellt und alle Gelehrten ruempften die Nase, nannten den Kult dieser Insel “Humbug” oder “primitiv”. Ja, er hatte sich verfuehren lassen, war drei Jahre hier gewesen. Hatte sich zu sehr reinziehen lassen. Aber damals war er noch ein junger gnom auf Wanderschaft gewesen, ein Streuner, ein Herumziehender. Ein neugieriger, wissbegieriger Gnom, der noch wenig von der Welt wusste. Jetzt war er einiges aelter, erfahrener, gewandter. Es wuerden ihm nicht mehr die selben Fehler geschehen wie beim letzten mal. Dieses mal war er vorbereitet. Und dieses mal wusste er, was er hier wollte. Es spielt einen grossen Unterschied, ob man das erste mal nach Port-at-Baile kam, als neugieriger Abenteurer, oder das zweite mal, mit dem Willen, auf der Suche nach etwas bestimmten.

    Das Schiff stiess gegen den Quai, die Leinen wurden festgemacht und hari kletterte vom Schiff runter, ueber seiner Schulter seine Tasche, sowie sein Zauberstab auf dem Ruecken. Der Kapitaen winkte ihm nochmals zu:
    “Viel Glueck!”
    “Danke!”

    Hari winkte zurueck und lief in die Stadt, ohne einen Blick zurueck zu werfen. Zwischen halb verfallenen Baracken ging Hari die Strasse hoch, zur Hauptstrasse, wo die Haeuser ebenso verfallen wirkten: Die Farbe abgeblaettert, Salz und Wind und sonne zerrten an den Haeusern. Die Hauptstrasse war staubig und die Hitze, die um die Mittagszeit hier herrschte, war moerderisch. Hari fuehlte, wie sein Koerper bereits ein Opfer davon wurde, wie er sich der mattheit, der Traegheit erinnerte, der man bei solchem Wetter verfiel, wie man bloss noch den Wunsch danach verspuerte, sich im Schatten zum Schlafen hinzulegen, da jede Bewegung in dieser drueckenden Hitze, bei dieser Feuchtigkeit, die einem das Atmen schwer machte, wie man sich also bloss noch hinlegen wollte. Hari trat unter einen der Durchgaenge, die vor den haeusern standen, wo es schattig war.

    Da erklang ploetzlich ein lauter Schrei, gefolgt von seinem Namen. Hari drehte den Kopf und sah in einem der Eingaenge eine alte Frau stehen. Es dauerte, bis er sie erkannte, nach so vielen Jahren, aber es war Elyete, seine alte “Mambo”, die ihn damals in den Kult eingefuehrt hatte. Er war einer ihrer “Hunsin” gewesen, ein Schueler, ein Lehrling in den Geheimnissen des Kultes, neben vielen anderen. Genau zu Elyete hatte ihn sein Weg fuehren sollen, denn er war hierher gekommen, um sie um Rat zu bitten. Nun moegen manche dies als Schicksalsfuegung betrachten, dass hari Elyete so schnell traf – auf dieser Insel machte man die Loa und deren Willen dafuer verantwortlich – aber hari war nicht dumnm, und wusste, dass diese Stadt klein war und dass man hier schnell wieder auf Bekannte traf, vorallem, wenn man wie hari damals so lange hier gewesenb war, dass es sich also um eine Wahrscheinlichkeit handelte. Aber hari war auch nicht so dumm, dass das Eintreten dieser Wahrscheinlichkeit nicht vielleicht doch auf den Willen der Loa zurueck zu fuehren waere. Vielmehr war er erstaunt, seine fruehere Lehrerin hier in der Stadt anzutreffend und nicht ausserhalb der stadt, auf ihrem Landsitz, wo sie auch ihren zeremoniellen Ort, ihren “Humfo” hatte.

    Ueberdies war er erstaunt, wie sehr sie gealtert war. Aber eigentlich war es logisch, denn sie war ein Mensch, und musste wohl schon gegen ihr Lebensende zu gehen nach diesen jahren. Ueberdies lebten die Menschen auf dieser Insel (es lebten eigentlich nur Menschen hier) in solcher Armut, dass viele von ihnen frueher verstarben, als es ihre Gattung eigentlich erlaubte. Hari rechnete kurz nach, Elzete musste wohl zwischen fuenfzig oder sechzig Jahren sein, dennoch war ihre schwarze Haut fleckig und eingefallen, die Augen hatten einen trueben Glanz und ihr Ruecken war buckelig, ihre Bewegungen langsam und sie ging unter Schmerzen.

    “Hari Seldon, m'ptit, was machst du hier?”
    “Elyete, bei den Loa – das selbe koennte ich dich fragen. “
    Hari Seldon kniete sich vor der Alten hin und kuesste den Saum ihres Rockes. Eine durchaus gaengige Ehrenbezeugung, die er ihr als Mambo schuldete. Die Alte war erfreut und auch ein wenig geruehrt, nahm Hari aber an der Hand.
    “Steh auf, ich bin keine Mambo mehr.”
    “Wie denn das?” Hari war verwundert, denn es war nicht ueblich, dass eine Mambo in den Ruhestand ging.
    “Bon-De wollte es so.” Bon-De war ein Loa.
    “Und wer ist jetzt Mambo in deinem Humfo?”
    “De-Niz.”
    Die Alte lachte haemisch, als sie den Namen ihrer Tochter erwaehnte und als sie Haris erstauntes Gesicht sah.
    Sie schnalzte mit der Zunge. “Komm rein, m'ptit, ich erzaehle dir, was du wissen musst.”

    An dieser Stelle sei der Kult mal kurz bei seinem Namen genannt und grob beschrieben. Es handelte sich um den Vudu-Kult. Man kann es eigentlich nicht als Religion bezeichnen, sondern als eine Ansammlung von Ritualen, Zeremonien, mittels derer die magischen Geister, die “Loa” angerufen, besaenftigt und um Hilfe gebeten wurden. Die Loa offenbarten sich selber im Verlauf der Zeremonien, indem sie in einen der Umstehenden hinein fuhren, also Besitz von ihm nahmen. Man sprach auch davon, dass Jemand von den Loa “geritten” wurde, dass er ihr “Pferd” war. Bei diesen Zeremonien wurde musiziert, vorallem getrommelt und dazu getanzt, gesungen und es wurden Opfer dargebracht, welche die Geister, wenn sie von wem Besitz ergriffen hatten, konsumierten. Im Pantheon des Vudu gab es unzaehlige Geister und Daemonen, die sich offenbaren konnten, und sie konnten mal zornig, mal zufrieden in Erscheinung treten. Die Loa waren ebenso Stimmungen unterworfen und verhielten sich manchmal eigensinnig. Nun, ein moderner Ethnologe haette diesen ganzen Kult wohl als sinnstiftende Ritualsammlung zur sozialen Stabilitaet oder so aehnlich bezeichnet, in deren Verlauf die Gemeinde sich in einen kollektiven Rausch singt, tanzt um schliesslich in die “Besessenheit” yu gelangen, welche ihrerseits nur eine Darstellung, eine theatrale Darbietung dessen war, was im Alltag nicht ausgesprochen, nicht ausgelebt werden konnte. Die meisten Loa tadelten zum Beispiel die Umstehenden, ohne dass man deswegen denm Besessenen boese sein konnte, denn es war ja nicht er selber, der hier sprach, sondern der Loa, der sich des Koerpers bemaechtigt hatte. Ein moderner Ethnologe haette also, insbesondere wenn er die Aspekte des Berauschends, des Ausschweifenden, und zuweilen des Obszoenen, die anlaesslich der Zeremonien ausgelebt wurde, darauf gepocht, dass es sich unm blosse Exzesse, um Ueberschreitungen, handelte, die als “magisch” bezeichnet wurden, damit die Verantwortung nicht bei jenem lag, der sie auslebte, sonder auf hoehere Maechte geschoben wurden. So haette sich ein moderner,m aufgeklaerter Mensch vermutlich darueber geaeussert, und die Nase geruempft.

    Nun war Hari nicht so kritisch, dass er alles am Vudu als Humbug abgetan haette. Hari hatte zwar wenig uebrig fuer Religion, verachtete durchaus auch jene Priester, die missionierten und Jedermann zum Beispiel von der Richtigkeit ihres Gottes oder Goetter zu ueberzeugen trachteten. Hari wusste auch, dass bei den Vudu-Zeremonien nicht wirkliche Goetter “Besitz” von den Umstehenden nahmen und dass die Woerter, welche scheinbar von den Loa gesprochen wurden, haeufig eher den Willen des Besessenen entsprachen. Auch wusste er, dass sich die Priester des Vudu, eben die “Mambo” wenn es eine Frau war, oder der “Hungan”, wenn es ein Mann war, sich im Namen der Loa an den reichlichen Opfergaben, die manchmal aus ganzen Herden von Yiegen, Huehnern oder sogar Stieren, guetlich taten und sehr gut lebten, waehrend der Rest des Volkes haeufig arm war, und in Angst, dass sie den Zorn der Geister auf sich luden, wenn sie der Mambo oder dem Hungan nicht entsprachen. Nun war Hari aber auch ein Magier, und wenn er auch nur ein kleiner Illusionist war, so wusst er auch, dass es Energie, Maechte gab, die ein magier sich zu Nutze machen konnte. Was die einen Magier als “Mana” oder als eine Art spirituelles Energiefeld bezeichneten, dessen Kraefte sie sich zu Nutze machen konnten, so wie eine Muehle zum Beispiel das Fliessen des Wassers in die kraft eines Muehlsteines uebertrug, nannte man hier das “nanm”.
    Die Vuduisten waren keine Magier, denn alle Magie oblag den Loa. Aber sie waren aeusserst sensibel darin, den Fluss des nanm wahrzunehmen, viel sensibler als auf den Festland. Insbesondere die Mambo oder Hungan hatten eine tiefe Einsicht in das Schicksal, das jeden einzelnen umgab. Instinktiv fuehlten sie, was einen beschaeftigte, was einen umgab, und wusstren mehr ueber den Ratsuchenden, als es ihm selber bewusst war. Gewissermassen eine Art magische Tiefenpsychologie, die sie durch ihre Rituale praktizieren konnten, (um unserem modernen Wissenschaftler wieder entgegen zu kommen), haeufig manipulativ, aber dennoch mit tiefer Einsicht und Klarheit.
    Zuletzt geändert von Hari Seldon; 04.12.2011, 15:33.
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    Kommentar


      #3
      Kapitel 2 - Erinnerungen

      Kapitel 2 – Erinnerungen

      Hari Seldon war also nach 12 Jahren wieder hierher zurueckgekehrt, weil er einen Ratschlag benoetigte. Die letzten Monate hatten in ihm Zweifel genaehrt, ob er das Richtige tat, ober auf seinem richtigen Weg war und hatten ihn immer wieder gruebelnd zurueck gelassen, ohne dass ihm seine Buecher oder die Ratschlaege seiner Freunde bei seinen Entscheidungen helfen konnten. Er fuehlte auch, dass er an einer Kreuzung in seinem Leben stand, dass er sich unsicher war. Er war, metaphorisch gesprochen, ein im Dunklen Irrender, der an einer Kreuzung stand, und nicht wusste, welchen Weg er gehen sollte, da er noch nicht einmal wusste, wohin ihn welcher Weg fuehren wuerde. Er war also gekommen, um bei Elyete Rat zu holen, bei seiner frueheren Mambo, und erfuhr nun, dass sie nicht mehr praktizierte und sie ihm nicht helfen konnte.

      “Warum hast du aufgehoert?” fragte Hari die Alte, waehrend sie in einem kleinen Zimmer sassen, das wohl das Schlaf-, Wohn- und Esszimmer der Alten zugleich war.
      “Ich habe alles De-Niz gegeben, m’ptit. Sie ist maechtiger als ich, die Loa lieben sie. Sie fuehrt jeden Abend die Rituale auf meinem frueheren Humfo durch. Es war der Wille der Loa, dass sie die einzige Mambo wird.”
      Hari war erstaunt und Elyete laechelte grimmig und zufrieden: “Die Loa haben allen anderen Mambo und Hungan verboten, selbst mit ihnen zu redden. Aller Kontakt zu ihnen muss ueber meine Tochter statt finden. Jene Mambo oder Hungan, die sich gegen den Willen der Loa stellten, verschwanden oder gerieten in ihr Verderben.”
      Hari konnte sich vorstellen, dass hier vielleicht Gift mit ihm Spiel gewesen war. In seiner Abwesenheit hatte De-Niz mit Hilfe ihrer Mutter das Monopol ueber die Rituale an sich gerissen.
      “Sie ist maechtiger als alle anderen Priester, m’ptit.”

      Ja, sie war maechtiger geworden. Wenn sie die einzige Mambo war, die uebrig geblieben war, bestimmte sie ueber alle und als einzige. Wenn auch die Alte sich auf die spirituelle Macht von De-Niz bezog, so sah Hari auch den damit zusammen haengenden Machtzuwachs. Ihm war die Vorstellung, in diesem Falle zu ihr gehen zu muessen, nicht ganz lieb. Die Alte schwaermte weiter von ihrer Tochter und lobte sie, lobpreiste sie schon fast. Nun war es ja nichts seltenes, dass Muetter stolz ueber ihre Toechter sprachen, aber Hari sah eine alte Frau, vom Leben gezeichnet, in einer aermlichen Behausung, die in einen Wahn abzugleiten drohte, einen Traum von Groesse und Macht, ein Traum, den ihre Tochter fuer sie ausleben sollte. Sie hatte sich in ihren Traeumen bis zu einer Dynastie reissen lassen:
      “De-Niz hat zwei Toechter, die ihre Hunsi sind. Sie bildet sie besser aus, als ich es mit De-Niz tat. Die Loa sind ihnen sehr zugeneigt, und eines Tages werden die Toechter von De-Niz ihren Humfo uebernehmen, und dann eines Tages deren Toechter.”
      Sie gackerte vor Freude: “Sie heissen Ira und Mbele und sie sind jetzt schon fast so stark wie ihre Mutter.”
      Die Alte funkelte Hari an und tat geheimnisvoll: “Seid du von hier gegangen bist, hat sich vieles veraendert. M’ptit, du solltest raus zu ihrem Humfo gehen, sie wird grosse Augen machen, wenn sie dich wieder sieht, und du wirst grosse Augen machen.”
      Sie verfiel in ein hysterisches Lachen.

      Hari fand es an der Zeit, zu gehen, und seine fruehere Mambo sich zu ueberlassen.
      Er verliess die Behausung von Elyete und trat auf die Strasse hinaus. Jetzt fiel ihm auch auf, dass die Armut sich seit seinem letzten Besuch vergroessert hatte. Ein Junge schlich die Strasse runter, mager, ausgezehrt, man sah die Rippen hervor treten. Hari schuettelte den Kopf. Was war in seiner Abwesenheit geschehen? Diese Insel, die ihm einst ein Zuhause gewesen war, war zerruettet. Er ging die Strasse hoch, machte sich auf den Weg zum Humfo, der frueher sein Daheim gewesen war, und ueber den nun De-Niz bestimmte und waehrend seines Weges erinnerte er sich an seine Zeit vor 12 Jahren…

      Als Hari vor 12 Jahren hier verschwand, war er drei Jahre lang ein Hunsi gewesen, also ein Lehrling oder Adept, bei der Mambo Elyete. Sie hatte ihn zusammen mit ihren anderen Hunsi in den Kult eingefuehrt, wie es ueblich war. Auch die Tochter von Elyete, De-Niz, gehoerte zu ihren Hunsi.
      Hunsi zu sein, bedeutete, dass man gemeinsam lebte, Nahrung und Dach teilte und der Verantwortung einer Mambo oder eines Hungan unterworfen war. Bei den Zeremonien half man seiner Mambo, man musste ihr dienen, denn sie huetete die Seele, hielt sie in einem Gefaess, dem pots-de-tete, wodurch sie Macht ueber ihre Hunsi, aber auch die Verantwortung ueber sie hatte. Im Gegenzug erfuhr man die Geheimnisse des Kultes, und wurde darauf vorbereitet, selber eines Tages Mambo oder Hungan zu werden. An den Zeremonien erfuhr man als Initiierter regelmaessig die Besessenheit.
      Die Zeit war schoen gewesen, denn Elyete war eine gutmuetige Mambo gewesen. Das Leben auf ihrem Humfo war wie das Leben in einer Grossfamilie gewesen, mit viel Fuersorge und immer voller Freude, Gelaechter, Scherzen. Die Hunsi untereinander waren wie Geschwister, oder wie Schulkameraden: Halfen sich und unterstuetzten sich gegenseitig, da man das selbe Schicksal teilte.
      Hari war herzlich unter ihnen aufgenommen worden, was auch an daran lag, dass er ein Gnom war. Denn die Insel war sehr abgeschieden und die Bewohner kannten die verschiedenen Voelker des Festlandes nicht, kannten weder Elfen, Zwerge, noch Goblins und derlei. Der Anblick eines solchen Fremden wurde als Schicksalsfuegung betrachtet, als ein spezieller Gesandter, den die Loa ihrer Gemeinde zukommen hatten lassen, um sie zu pruefen oder um ihnen die Verantwortung fuer diesen Gast zu geben. Deswegen nannte ihn auch heute noch Elyete “m’ptit”, also “mein kleiner”. Von allen Hunsi war sie auf Hari immer stolz gewesen, denn sie hatte es als eine Ehre verstanden, diesen Fremden in ihrer Verantwortung zu haben.
      Dennoch war ihr von allen Hunsi ihre eigene Tochter die liebste gewesen, und sie gab ihr mehr Aufmerksamkeit, uebte aber auch mehr Strenge an ihr. Eigentlich war es damals irgendwie schon klar, worauf das hinauslaufen wuerde.
      Denn De-Niz, deren Name Nichte-des-Gottes bedeutete (von dieu-niece), war eine Halbdaemonin. Elyete behauptete immer, sie waere das Kind eines “diab”, eines Teufels, mit welchen sich Vuduisten normalerweise nicht einliessen, ausser sie beabsichtigten, boeses zu tun. Der Diab haette ihr aufgelauert und ihr dieses Kind gemacht. Sie haette das Kind zwar nicht gewollt, da es von einem Diab war, hielt es dann aber doch fuer eine Fuegung der Loa, und nahm es dann an. So beabsichtigte sie, das Kind zu einer Priesterin auszubilden, damit das Kind eine Dienerin der Loa wuerde.
      Hari hatte bereits bei seinem ersten Besuch an der Geschichte gezweifelt, also an der goettlichen Abstimmung von De-Niz, und vielmehr auf einen durchreisenden Daemon getippt, dessen Anblick fuer die Gemeinde hier zu selten gewesen war, so dass man ihn rueckblickend zu einem “diab” erklaert hatte. So war aus einem Techtelmechtel, das Elyete mit einem durchreisenden Daemonenmann gehabt hatte, die goettliche Abstammung von De-Niz geworden. Anders konnte man sich auch ihre Erscheinung nicht erklaeren: Ihre Haut war pechschwarz, schwaerzer noch als die der anderen Inselbewohner, welche bereits von sehr dunkler Haut waren: ihre Augen waren hingegen feuerrot. Es fehlten zwar die ueblichen Daemonenmerkmale, wie Hoerner, Reisszaehne, die langen, spitz zulaufenden Ohren oder aehnliches. De-Niz glich ansonsten einem Menschen. Aber ihr Wesen, ihre Erscheinung war anders als die der uebrigen: In ihren geschmeidigen Bewegungen, ihrem Blick, welcher im Zorn durchbohrend wurde, so wie in vielen kleinen Details erschien sie “unmenschlich”. Sie war anders als alle anderen und ihre Mutter bestaerkte sie darin immer wieder, sprach von “ihrem Erbe”.
      Als Hari auf die Insel kam, war De-Niz gerade eine junge Frau von 18 Jahren, und die zwei hatten sich gut verstanden, da sie beide “anders” als die sie umgebenden Menschen waren. Sie waren beide jung und hatten ueber die Jahre eine tiefe Freundschaft und schliesslich Gefuehle fuereinander entwickelt. Denn Hari hatte im Gegensatz zu allen anderen der Insel keine Furcht oder Vorbehalte ihr gegenueber, da ihr Anblick ihn nicht verwirrte und er auch nicht wie alle anderen an ihre “goettliche” Abstammung glaubte. In seiner Gegenwart erfuhr sie es das erste mal, nicht wie ein teuflisches Ungeheuer betrachtet zu werden, sondern wie eine junge Frau. Sie konnte unbeschwert und froehlich sein, began, Vertrauen zu schoepfen, und immer wenn sie und Hari alleine waren, konnte sie die Maske der diabolischen Abstammung ablegen. Sie vergass dann ihr Erbe, ihre Buerde, die ihre Mutter immer betonte, und war eine froehliche junge Frau, die von Hari die Aufmerksamkeit und den freundlichen Zuspruch erhielt, welche ihr ansonsten vorenthalten wurden.
      Aus Spielkameraden, aus Schicksalsgenossen wurden Freunde, die fuereinander da waren, und aus Freundschaft wurde Schwaermerei und dann eine Intimitaet, eine Liebschaft, die sie vor allen anderen geheim hielten, obwohl es niemandem entgangen war, dass sie immer die Naehe des anderen suchten. Aber De-Niz fuerchtete, dass sie den Zorn ihrer Mutter auf sich laden wuerde, wenn diese von ihrer Beziehung wusste.
      Dennoch erfuhr Elyete davon, denn waehrend einer Zeremonie, als die Mambo besessen war, machte sie De-Niz Vorwuerfe. Beschimpfte sie mit der Stimme eines Loa, sie haette ihr Erbe vergessen, ihr Schicksal, das auf sie wartete und sie wuerde sich unzuechtig verhalten und haette ihrer Mutter zu folgen sowie dem Willen ihrer Ahnen. Auch Hari wurde durch die besessene Elyete zur Rechenschaft gezogen: Er sollte nicht vergessen, dass er Gast in einem Hause war, und sich an die Regeln des Gastgebers zu halten haette und dessen Vertrauen nicht Misbrauchen duerfe.
      Von da an sahen sich der Gnom und die Halbdaemonin seltener und unter hoechster Vorsicht. Das verursachte ihnen zuerst noch Schmerz und Kummer, aber schliesslich sagten sie sich voneinander los. Denn so schoen die gemeinsame Zeit auch gewesen war, wussten beide, dass sie keine gemeinsame Zukunft haben konnten. De-Niz war dazu bestimmt, auf dieser Insel ihr Schicksal zu folgen, auch wenn es sie nicht umbedingt gluecklich stimmte – was sollte sie denn sonst machen? Fuer sie kam es nicht in Frage, mit Hari die Insel zu verlassen. Er hatte es ihr vorgeschlagen, hatte es sich auch gewuenscht, aber sie war nicht dazu bereit gewesen. Hari, im Gegenzug, wusste auch, dass er unmoeglich den Rest seines Lebens hier auf der Insel verbringen konnte. Seine Familie, so wenig sie ihm dazumal auch bedeutete, war auf dem Festland. Er wollte noch hinaus ziehen, Abenteuer erleben, viel von der Welt sehen, lernen und sein Schicksal war damals immer noch das eines Abenteurers, eines Wanderers gewesen. So trennten sich die beiden im Guten, wenn auch unter Kummer.

      Hari war mittlerweile am Stadtrand angelangt und sah am Ende der Strasse, auf einem Huegel, den Humfo.
      Jetzt, da er wieder hierher zurueck gekehrt war, kamen in ihm all die Erinnerungen wieder hoch, die er vor langem tief in seinem Inneren begraben hatte. Jeder Busch, jeder Hain, jedes kleine Feld das er sah, spuelte in ihm Erinnerunge hoch, an fruehrere, froheliche Zeiten. Jetzt waren die Felder ohne Lachen, wirkten duerr. Wie wenn ein dunkler Schatten ueber diese Insel gezogen waere. Alles war nur noch Erinnerung, nichts davon hatte ueberlebt.
      Hatten sie sich dort nicht einst vor dem Sommergewitter versteckt, nass und lachend?
      Und war diese ueberwucherte Stelle nicht einst eine Wiese gewesen?
      Worauf sie zusammen gelegen hatten und den Zug der Voegel beobachteten?

      Hari stand vor dem Tor zum Humfo, war den Huegel hochgegangen. Es mochte die tropische Hitze sein, die auf ihm lastete oder der Kummer an das letzte mal, als er vor diesem Tor gestanden war. Es war der Abschied gewesen und in ihm drueckte die Erinnerung hoch in sein Bewusstsein, rang danach, erkannt zu werden.

      “Sie stand hier,” dachte Hari fuer sich, “und ich weiss noch genau, sie sagte, dass ich gehen sollte. Aber ihre Augen sprachen anders, blickten mich an, baten mich, nicht zu gehen. Und dann nahm ich sie in den Arm, kuesste sie, worauf hin sie ‘bleib hier’ sagte, aber diesmal waren ihre Augen anders, sprachen ‘geh endlich’ – und dann bin ich gegangen.”

      (So kitschig, muss an dieser Stelle der Chronist einwerfen, kann nur jugendliche Liebe sein. Aber der Chronist meint auch, dass solches nicht zu verheimlichen sein. Denn mag es auch kitschig klingen, so weiss doch jeder und jede, dass solche Dinge in der Wahrheit noch viel kitschiger ablaufen. Die Verfaelschung der Aufzeichnungen geschieht nur aufgrund der Scham im Rueckblick. Aber sollte man sich seiner jugendlichen Verliebtheit schaemen?)

      Hari erinnerte sich auch des Versprechens, das sie sich gegeben hatten: Nicht anders auf diese Zeit zurueck zu blicken, als mit Freude. Nicht in der Erinnerung zu bleiben. Sondern zu vergessen, um die Erinnerung nicht zu zerstoeren. So unlogisch das auch klingen mag, damals machte es Sinn: Bewusst zu vergessen, damit die Erinnerung nicht verfaelscht wurde.
      Hari hatte vergessen, aber jetzt, hier vor dem Tor, war alles wieder zurueck gekehrt, und frisch als waere es erst gestern gewesen, und nicht 12 Jahre her.
      Hari klopfte an das Tor und atmete durch. Ihn beschlich das Gefuehll, dass ihn hier mehr erwartete, als bloss ein paar Erinnerungen. Vor 12 Jahren war an diesem Tor ein Gnom gewesen, der in die Welt hinauszog und nicht wusste, was ihn dort erwarten wuerde. Nun war ein weit gereister Gnom zurueck gekehrt, der viel gesehen, reifer geworden war.

      Als sich das Tor oeffnete, laechelte Hari und murmelte zu sich:
      “Na dann, auf geht’s!”
      Zuletzt geändert von Hari Seldon; 04.12.2011, 15:37.
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      Kommentar


        #4
        Kapitel 3 - Ein Wiedersehen

        so, hier also das naechste Kapitel, fuer die katholische Elfin *g*:


        Kapitel 3 – Ein Wiedersehen

        Jean-Pierre stand vor dem Tor und entriegelte es. Immer fiel es ihm zu, das Tor zu oeffnen, wenn Mittagszeit war. Alle anderen schliefen oder wollten sich nicht ruehren, und er war immer unruhig waehrend der Mittagszeit, wenn die Sonne am staerksten schien. Er konnte nicht schlafen und er wollte auch nicht untaetig rumliegen. Jedes kleine Geraeusch nahm seine Aufmerksamkeit. Und das Klopfen am Tor war so ein Geraeusch.
        Er konnte nicht warten, bis der Klopfer wieder gegangen war, er musste dann wissen, wer es war. Seine Neugier liess ihm da keine Ruhe. Jean-Pierre war einer der Trommler des Humfo. Er war der Oberste Trommler. Mehr eine musikalische Aufgabe, aber fuer die Rituale des Vudu unerlaesslich. Unter seiner Leitung entzauberten die Musiker die wildesten Rhythmen ihren Instrumenten, so dass die Loa angerufen werden konnten und sich die Zuhoerer im Takt der Trommler wiegten, tanzten, und die Besessenheiten sich ereignen konnten. Jean-Pierre war bereits aelter, er ging gegen fuenfzig zu, aber in seinen Augen lag immer noch das Feuer, das ihn in seiner Jugend umgetrieben hatte. Die Musik hatte ihn jung gehalten, sein persoenliches Geheimrezept gegen das Alter, beziehungsweise sein Dank, den er von den Loa erhalten hatte, dass er sie mit seinen Rhythmen verzueckte.

        Jean-Pierre oeffnete also das Tor und sah zuerst einmal kein Gesicht. Sein Blick nahm den Gast unter ihm dennoch war.
        Ein Kind, dacht er, und er schaute nach unten.
        Doch kein Kind, ein alter Greis vielleicht? Jean-Pierre versuchte in den Gesichtszuegen des Gastes dessen Alter abzuschaetzen. Kein Greis, dachte er fuer sich.
        Ein Guede? – dachte er erschrocken. Die merkwuerdige Erscheinung eines Gnomes konnte nicht eingeordnet werden. Hari Seldon war vertraut mit dieser Reaktion. Er laechelte. Dann ploetzlich hellte sich die Miene von Jean-Pierre auf und er erkannte den Besucher. Er hob seine Stimme und ihm entfuhr ein lautes “Aaa-a-aah!”
        Auch Hari erkannte den Trommler von frueher, wenn auch dieser aelter geworden war. Aber die Augen des Musikers, der ihm ein guter Freund gewesen war, waren die selben wie damals. Jean-Pierre suchte noch zwei Sekunden lang nach dem Namen des Freundes, dann kam ihm die Erinnerung zur Hilfe:
        “Hari!”
        “Jean-Pierre!”
        Die beiden Freunde umarmten sich.
        “Hari, was machst du hier?”
        “Ich war eben in der Gegend und dachte, ich schaue kurz vorbei.”
        “Wie lange ist das her, zehn Jahre, fuenfzehn Jahre, dass du dich nicht gezeigt hast?”
        “Zwoelf, Jean-Pierre, aber es fuehlt sich an wie gestern.”
        “Oh, du sagst es, du siehst schliesslich auch noch so aus wie damals, im Gegensatz zu mir, schau mich an, ich bin alt geworden.”
        “Red keinen Unsinn, ich sehe es doch deinen Augen an, dass du immer noch derselbe Schuerzenjaeger bist!”

        Jean-Pierre lachte und fuehrte Hari in den Humfo. Er nahm Haris Tasche und hielt ihn am Arm, fuehrte ihn in die Mitte des Platzes, in die Naehe des poteau-mitan, und rief laut:
        “Kommt alle und schaut, wer hier ist: Hari ist wieder da! Hari! Le ptit, le gnome ‘wec corazon!”

        Aus den Seitengebaeuden lugten vereinzelte Gesichter heraus. Sei es aus Neugier, oder weil der rufende Jean-Pierre einen aus dem Schlaf geweckt hatte und man den Grund fuer diese Stoerung wissen wollte, oder und das freute Hari besonders, wie man ihn sah, ihn wiedererkannte. Auch Hari konnte einzelne Gesichter wieder erkennen. Schon bald war er umringt und wurde begruesst, mit Lachen, und er wurde mit Fragen bestuermt. Auch jene, die ihn nicht kannten, umringten ihn, denn der Trubel war ein allgemeiner, ein froehlicher, und man wollte auch einen Blick auf den merkwuerdigen Fremden werfen.

        In all diesem Haendeschuetteln und diesem Begruessungssturm, dem Gelaechter, kehrte ploetzlich eine Ruhe ein, und Hari fiel auf, dass sich der Kreis um ihn lichtete, die Leute traten zurueck, und zwischen ihm und dem Altargebaeude entstand ein Spalier. Hari wusste, was das bedeutete, und obwohl es verwirrend war, dass die Leute wie auf ein unausgesprochenes Kommando hin die Bahn frei gemacht hatten, war er dennoch froehlicher Stimmung. Es war ein froehlicher Tag, fand er, dies war ein Nachhausekommen auf seine eigene Art.

        Er drehte sich um und sah De-Niz, die neben dem poteau-mitan stand.
        “Hallo Hari.”
        De-Niz stand barfuss vor ihm in einem weissen Kleid. Ihr dunkles, krauses Haar, hatte sie hinten zusammen gebunden. Sie musste wohl geschlafen haben, denn es stand ihr in wirren Straenen ab, sie hatte es hastig zusammen gebunden. Es gab ihr eine wilde Erscheinung. Sie stand ohne Bewegung, beinahe kuehl da. Ihre Augen musterten ihn, nicht neugierig, aber auch nicht zornig. Abwartend. Als Hari von hier gegangen war, war sie noch eine junge Frau gewesen, stuermisch, aufbrausend. Jetzt war sie erwachsen, jetzt war sie eine Priesterin, eine Mambo. Jeder Zoll von ihr eine Herrscherin. Sie war die Herrin auf diesem Humfo. Hatte diese Aufgabe angenommen und hatte sie gemeistert. Aus Unsicherheit, Gruebel und Zweifel war Selbstvertrauen geworden. Einen Moment lang war der Humfo in Stille. Hari und De-Niz schauten sich jeweils an und warteten ab, was passieren wuerde. Hari bemerkte ein leichtes Zittern um die Mundwinkel der Mambo, die Augen seiner einstigen Freundin und Geliebten glaenzten. Hari laechelte, neigte den Kopf und ging zu ihr, mit ausgebreiteten Armen.
        Da loeste sich De-Niz aus ihrer Pose und von einem Moment zum naechsten war sie nicht mehr die Priesterin, die mit den Sorgen einer ganzen Gemeinde betraut war, sie war wieder die junge Frau von einst. Unbeschwert und lachend ging sie dem Gnom entgegen, flog ihm schon fast entgegen, und fiel kurz vor ihm auf die Knie und umarmte den Gnom. Hari fuehlte ihre Haende auf seinem Ruecken, die ihn fest an sie drueckten. Sie presste ihn engen an sich und er fuehlte ihre festen Brueste, spuerte ihren Atem in seinem Nacken. In ihrer Umarmung nahm er ihren Geruch wahr: Suesslich und herb zugleich, wie bei allen Daemoninnen ueblich. Vor sein inneres Auge draengte sich das Bild einer anderen Person, aber er draengte es zurueck. Er entgegnete die Umarmung der Mambo mit dem selben Druck und sie hielten sich beide fest. Es mochte einen Moment lang gedauert haben, bis sie die Umarmung wieder lockerten. Beide waren in Gedanken versunken: An einst, durchlebten die suessen Erinnerungen noch einmal und fragten sich, wie ihr Leben wohl gewesen waere, wenn es – naja: halt anders gewesen waere. Da ertoente ein unfreiwilliges Husten hinter ihnen, und sie wurden aus ihren Erinnerungen wieder ins Hier und Jetzt zurueck geholt. De-Niz loeste die Umarmung und schaute Hari an. Sie rieb sich die Augen und laechelte Hari an:
        “Willkommen zurueck, m’ptit.”

        Hari seinerseits konnte nichts sagen, er hatte einen Kloss im Hals. Er schaute nur auf die vollen Lippen in dem dunklen Gesicht vor ihm, auf die Stupsnase mit den zitternden Fluegeln, die Augen, die immer noch glaenzten, und die ihn mit einem zaertlichen Blick anschauten. Hari hob die Hand und strich De-Niz ueber die Wange. Sie senkte ihre Augenlider und genoss seine Beruherung. Es war wie damals, unter dem Mahagony-Baum...
        Da erinnerte sich Hari aber, dass 12 Jahre vergangen waren, dass sie nicht mehr die selben waren. Sie war Mambo. Die Vergangenheit lebte in den Erinnerungen, und die Gegenwart war anders.
        Hari strich mit seiner Hand die Wange hinab zum Kinn und loeste die Beruehrung. Er grinste und machte einen halben Schritt zurueck.

        “Ich habe gehoert, dass du jetzt eine Mambo bist.”

        Und mit diesen Worten kniete er sich nun seinerseits hin, laechelte schelmisch und verneigte sich vor De-Niz, das Begruessungsritual vollziehend. Beruehrte mit der Stirn den Boden und kuesste die Erde vor der Priesterin, dreimal, und jedesmal laechelte er dabei und schaute zu ihr rauf, sich durchaus der Laecherlichkeit bewusst. De-Niz laechelte ebenfalls, legte ihre Haende in den Schoss und schaute Hari beim Begruessungsritual zu. Daraufhin erhoben sich beide und De-Niz wies an, dass man Hari ein Zimmer bereiten sollte, sowie dass alles fuer ein Fest vorzubereiten waere. Man wuerde den einstigen Hunsi ihrer Maman als Gast haben, und man wuerde deswegen noch heute Abend eine grosse Zeremonie abhalten, um den Loa zu danken, dass sie den einstigen Hunsi, Bruder und Freund wieder hierher zurueck gebracht hatten.

        Sogleich wurde der Humfo aus seinem nachmittaglichen Daemmerschlaf geweckt, und alle machten sich daran, fuer den Abend und die Zeremonie, die gleichzeitig Fest sein wuerde, vorzubereiten, was vorzubereiten waere. Jean-Pierre trat zu Hari: “Komm, ich zeig dir dein Zimmer.”
        Hari ging zu seinem Gepaeck, da spuerte er auf seiner Schulter die Hand von De-Niz: “Wenn du eingerichtet bist, komm zu mir. Wir muessen miteinander reden.”
        Hari nickte und folgte Jean-Pierre.
        Er hatte sich schnell eingerichtet in seinem Zimmer, und wollte nochmals durch den Humfo gehen, bevor er zur Priesterin ging. Vom Tor, durch das er gekommen war, zog sich ein grosser Platz, ein Innenhof, der an den Seiten von Gebaeuden umsaeumt wurde. Ein ueberdachter Rundgang zog sich zwischen den Haeusern und dem Hof. Auf der dem Tor gegenueber liegenden Seite befand sich das Peristyl, worin die Zeremonien statt fanden, ein ueberdachter Vorhof, wo auch das grosse Hauptfeuer entzuendet wurde, sowie der schon erwaehnte poteau-mitan, der Hauptbalken, der in einem Stein am Boden endete, und der zentral fuer alle Zeremonien war. Er bildete die magische Verbindung zwischen Erde und Himmel, durch ihn konnten die Loa zur Gemeinschaft gelangen. Ein Teil des Innenhofes war offen, weder stand dort ein Gebaeude noch eine Mauer, sondern ein steiler Hang. In der Ferne konnte man eine wilde Landschaft sehen, einige Felder und dahinter begann der Sumpf. Vom Peristyl aus konnte man die Gegend gut ueberblicken.
        Hari ging auf dem Platz umher und zwischen den Leuten. Anhand der Zeichnungen und der verwendeten Farben, sowie der herangetragenen Gegenstaende fiel ihm auf, dass dieser Humfo den Petro, und nicht den Rada gewidmet war.

        Dies ist kurz zu erklaeren, denn der Vudu kennt unterschiedliche Formen. Wie bereits gesagt, gibt es die einzelnen Geister, die Loa: Legba, oder Mossieur Carrefour, der Uebervater: Baron Samedi, der fuer die Toten verantwortlich war, sowie sein Gefolge von Spassmachern und Narren, die Guede: Ogu, den Kriegsgott, Ezili, die Liebesloa und noch viele, viele mehr. Nun konnte jeder einzelne Loa als Rada oder als Petro in Erscheinung treten. Wenn er Rada war, half er, solange man opferte und dies auch regelmaessig tat, beschuetzte und wehrte Schlimmes ab. Wenn derselbe Loa nun aber als Petro heraufbeschworen wurde, dann war er ein eigener Kopf: Er war wild und tat, worauf er Lust hatte. Ein solcher Loa verhielt sich eigensinnig, mal wie ein kleines Kind, dann wie ein fordernder Liebhaber, oder wie ein stoerrischer Alter. Es gehoerte eine gehoerige Portion Kreativitaet und auch Mut dazu, einen Petro anzurufen, da er ausgefallenere Opfer und zusaetzliche Zuwendung erforderte, und selbst wenn man sie immer wieder erbrachte, konnte es dennoch sein, dass man ihre Gnade nicht gefunden hatte, einfach weil den Petro nicht danach war. Entsprechend konnten aber die Wuensche, die im Rahmen des Petro an die Loa formuliert wurden, viel weiter gehen. Dem Petro wurde immer nachgesagt, duesterer zu sein als der Rada, und dass er schon der halbe Weg waere, nicht mehr ein Priester, sondern ein Boko, ein Zauberer zu werden, der die Loa bei seinen Zaubereien, Verwuenschungen und Hexereien um Unterstuetzung bat. Die Petro gewaehrten diese auch, wenn es ihrem Naturell, ihrem eigenen Willen entsprach. Man gab also, koennte man sagen, ein grosses Fest und aeusserte dem Petro-Loa gegenueber eine Idee, die sein Gefallen finden konnte. Zum Beispiel konnte man dem Baron, nachdem man ihn mit allen Ehren geehrt und bedient hatte, den Gedanken aeussern, er moege doch mal bei diesem oder jenem Nachbarn vorbei schauen, der habe boeses ueber ihn gesagt. Im Rada waren die Loa gnaedig, zivilisiert, vielleicht mal beleidigt, wenn man ihnen laenger keine Ehre erwiesen hatte. Im Petro hingegen waren sie wild, ausschweifend, wollten ihrer Lust nachgehen und genossen es, ihre Macht anzuwenden.
        Dennoch kann man die Petro nicht als “boese” Seite der Loa begreifen, das waere falsch. Es war nur die andere Seite, die wilde und ungezuegelte Seite der Loa. Auch die Zeremonien der Petro waren anders: Die Gesaenge zur Beschwoerung der Loa waren wilder, und Besessenheiten geschahen in groesserem Rhythmus und beinahe kollektiv. Es wurde lauter und es wurde immer Schiesspulver entzuendet, denn den Petro gefaellt es, wenn es laut wird.

        Hari sah nun, dass dieser Humfo ausschliesslich der Beschwoerung der Petro diente, und das machte ihn stutzig, da es aussergewoehnlich war, was aber nicht hiess, dass dies verdaechtig oder abnormal waere.
        Das Gebaeude hinter dem Peristyl war jenes der Mambo: Dort befand sich auch der Altarraum, das Beratungszimmer und ihr Schlafzimmer. Frueher waren es die Raeume von Elzete gewesen, nun jene ihrer Tochter. Hari trat durch den Durchgang, die Schnuere mit Hoelzchen dran klickten und klackerten, als er sie zur Seite schob. “Hallo?”
        Hari schaute sich um. Die Raeumlichkeiten des Altares, der Mambo, verrieten normalerweise nichts ueber die Mambo, sondern erzaehlten mehr ueber die Rituale. Auch hier wieder Petro. Vieles war aehnlich wei damals. Er erkannte einige der Fahnen, der Kruege und Kalebassen, der Rasseln und Messer wieder. Nur in der einen Ecke stand der persoenliche Schrein der Mambo, der ihrer “eigenen”, “ihrer” Loa gewidmet war. Denn jeder Eingeweihte, wenn er das erste mal die Besessenheit erfuhr (es erfuhren nur Eingeweihte die Besessenheit), wurde jenem Loa zugeteilt, der ihn das erste mal besessen hatte. Das war der eigene, personeliche Loa. Der Loa von De-Niz war Ezili, das wusste Hari noch. Das grosse, rote Herz ueber dem Altar erinnerte ihn wieder daran. Ezili war eine Dame, die sich gerne umschmeicheln liess und fuer ihre Schoenheit Komplimente hoeren wollte. Auf ihr aeusseres war sie sehr bedacht, und junge Maenner standen besonders in ihrer Gunst. Ezili war eine aeusserst lustbetonte Loa, die gerne schaekerte. Wenn immer es um Liebesdinge ging, wurde Ezili ein Opfer dargebracht oder sie erschien waehrend einer Zeremonie, um einen Ratschlag zu geben. Haris eigener Loa war ein Guede: Die Guede sind Spassmacher, die zum Gefolge des Baron Samedi gehoeren. Sie machen sich ueber die Anwesenden lustig, entreissen ihnen den Rum, vollfuehren obszoene Taenze und erzaehlen schmutzige Witze zur allgemeinen Erheiterung. Es gab unzaehlige unter ihnen, und sie traten meistens zu mehreren auf. Da sie nur Gefolge des Barons waren, standen sie zwar nicht auf der selben “Stufe” wie andere Loa (wenn man eine Hierarchie aufstellen moechte), aber ihre Anwesenheit war bei froehlichen Festen immer erwuenscht. Auch wenn sie als Gefolge des Barons dem Tode sehr nahe standen, war es doch ihr Galgenhumor, fuer den man sie letztlich schaetzte, und der sie auch nie verliess. Von seinem eigenen Loa wurde man am haeufigsten besessen.

        Aus ihrem Zimmer und in den Altarraum trat De-Niz.
        Sie hatte sich fuer die Zeremonie umgezogen. Sie trug ein weisses Kleid, feiner gearbeitet als das vorherige, und einen Guertel, was ihre Huefte und Taille schmeichelhaft zur Geltung brachte. Ihr Haar hatte sie unter einem weissen, eng anliegenden Kopftuch, sie trug Ohrringe, Armreifen und die geweihten Ketten aus Korallen und Steinen und kleinem Krimskrams, der aber doch fein abgestimmt war. Der Saum ihres Kleides war mit feinen Stickereien geschmueckt.
        “Meine Mutter wird die Zeremonie leiten, ich habe nach ihr geschickt. Sie wird sich das sicher nicht entgehen lassen wollen, wenn ihr Hunsi zurueck gekehrt ist.”
        Hari entgegnete nichts. Das war ihm nicht unrecht, denn schliesslich war es frueher auch so gewesen.
        Sie setzten sich.
        Sie wussten nicht, was sie sagen sollten. Also begannen sie, ueber Belanglosigkeiten zu sprechen. Dieses und Jenes, kleine Fragen, nicht um der Antworten willen, sondern zuerst aus Verlegenheit, schliesslich aus Neugier und Interesse, dem anderen zuzuhoeren, wie er sprach, und schliesslich verstiegen sie sich in Albernheiten. Es haette viele Fragen gegeben, die sie sich ernsthaft haetten stellen koennen, und die sie beide ueber die Jahre mit sich getragen hatten – aber wenn immer sie kurz davor standen, doch wieder ernsthaft zu werden, kurz schweigsam und verlegen wurden, dann durchbrach einer die Situation mit einem neuen Witz, Spruch oder einer Bemerkung, ueber ihr Aussehen, ihr Alter und dergleichen. Und beide konnten im jeweils anderen sehen, dass es ihm gleich ging, und so kamen sie stillschweigend darueber ein, dass sie all die grossen Fragen, die sie aneinander hatten, noch ein wenig auf die lange Bank schieben wuerden. Der Gespraechsstoff ging ihnen dennoch nicht aus, immer wieder fanden sie etwas, aus dem sie ein Thema machen koennten, auch wenn sie die aberwitzigsten Gedankenspruenge machten, aber sie waren zufrieden damit und laechelten sich gegenseitig zu. Einmal fragte De-Niz dann doch, warum er eigentlich zurueck gekommen war. Er antwortete, dass er die Hilfe einer Mambo in Anspruch nehmen wollte und dass ihre Mutter ihn zu ihr geschickt hatte. De-Niz winkte ab und meinte, sie wuerden morgen darueber sprechen, und sie wuerde ihm schon helfen, dass sei versprochen, alleine wegen der Freundschaft und weil er ja immer weniger Haare haette, das sei sicher wegen seinen Sorgen – woraufhin er eine spitzzuengige Bemerkung zurueck gab und damit war das Thema auch schon wieder vom Tisch. Im Gegenzug fragte Hari einmal nach ihren Kindern, worauf sie nur entgegnete, dass diese unterwegs waeren, weil sie sich vor so jemandem wie ihm nur fuerchten wuerden, was sie persoenlich erstaune, denn ihre Kinder waeren eigentlich kleine Monster, aber er wuerde sicher so lange bleiben und sich dann von ihnen fressen lassen? Aber sicher, antwortete er, und er verstellte seine Stimme, so dass er wie ein aengstlicher Professor klang, was sie alleine schon dazu brachte, zu lachen, er sei immer daran interessiert, Ungeheuer zu treffen und zu studieren und wenn es ihn auch sein Leben koste, fuer das Wohl der Wissenschaft sei das kein zu geringer Preis. Er wuerde auf jeden Fall noch laenger bleiben, das sei versprochen.
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          Kapitel 4 - Die Loa

          Kapitel 4 – Die Loa

          Sie waren beide guter Laune und die Stunden vergingen, ohne dass es von Belang war, worueber sie sprachen. Sie wurden unterbrochen, als Elyete den Raum betrat und empoert einen tiefen Atemzug nahm. Sie wies die beiden sogleich zurecht. Hari nickte bloss und De-Niz schaute verlegen yu Boden. Dann rauschte die Mutter in die hinteren Raeume und gebot ihrer Tochter, ihr zu folgen. De-Niz erhob sich und warf Hari ein freches Grinsen zu, dann folgte sie ihrer Mutter, um dieser zu helfen. Hari ging hinaus und mischte sich unter die Gaeste.

          Die Hunsi hatten alles vorbereitet. Die Trommler sassen, tranken Rum und warteten auf das Zeichen zum Beginn. Durch das offene Tor stroemten immer wieder neue Gaeste, die isch um das Peristyl herum verteilten. Es standen Baenke fuer die Alten da, die Kinder kletterten auf die Daecher der Rundgaenge. Man hatte fuer Hari einen Platz ganz vorne vorgesehen, als Ehrengast, auf einem Kissen am Boden. Alte Bekannte begruessten ihn, scharten sich um ihn, auch jene, die ihn nicht persoenlich kannten. Denn es galt als unschicklich, zu einem Fest zu erscheinen, ohne den Ehrengast zu begruessen. Dann betrat die Mambo Elyete das Peristyl, neben ihr ihre Tochter. Sie liess die Rassel erklingen und die Trommeln begannen zu spielen. Die Hunsi sangen im Chor und Elyete und De-Niz gingen die vorderste Reihe der Gaeste entlang, um die Gaeste zu begruessen. Elyete benutzte die Rassel, um diesem oder jenem zu zeigen, dass er aufstehen sollte, und sprach sodann den Namen des Gastes, bat ihn, sich zu drehen und tauchte ihre Rassel in eine Schale geweihtes Wasser, und segnete mit einer schwungvollen Bewegung, nicht nur den Gast, sondern die auch die Umstehenden. Die Hunsi liefen zwischen der Mambo und den Gaesten und schenkten Rum ein, drehten die Gaeste, drehten die taenzlerischen Pirouetten mit ihnen, und standen daraufhin wieder im Chor um die Mambo und sangen. Dann nahm Elyete eine Schuessel mit Maispulver und eine mit Asche und zeichnete die Symbole der Loa, die “veve” auf den Boden damit, so dass bald das ganze Peristyl damit abgesteckt war: Alle Loa, die heute angebetet wuerden, hatten einen Platz, wohin man die Kruege oder die Opfergaben, die ihnen zugedacht waren, hinstellen konnte.
          Dann: Die Mambo umtaenzelte den poteau-mitan und schwang die Rassel im Takt der Trommeln, waehrend die Hunsi einen Chor zu Ehren Legbas sangen, wobei die Mambo mit sang: “Oh me pe lebga-mswia-ca-fwu se me pte wua ne koke” und dann hielt Elyete ein Huhn in der Hand und drehte ihm mit Geheul den Hals um und fuehrte den Blutstrahl zuerst an ihre Lippen und danach zu einem Kelch. De-Niz entzuendete an einer der Ecken einen Haufen Schiesspulver, so dass es laut krachte, und die Hunsi bruellten laut auf und die Trommeln wurden schneller.: Das Publikum stimmte ein, in die halb gerufenen, halb gesungenen Anbetungen.

          Das Ritual ging seinem ersten Hoehepunkt zu: De-Niz verenkte sich und ihre Augen wurden glasig. Einige der Hunsi stuerzten zu ihr und faecherten ihr Luft zu, hielten sie in den Armen, waehrend weiter gesungen und getrommelt wurde, die Mambo gab schrille Schreie von sich. De-Niz stand auf, mit einem veraenderten Gesichtsausdruck, und man reichte ihr die Kruecke des Loa Legba, denn sie war von ihm besessen, war sein “chval”, sein “Pferd”. Sie hinkte ueber den Platz, also eigentlich hinkte Legba. Sie kraechzte mit der Stimme eines alten Mannes einen Gruss und bat um Rum, den man ihr sogleich brachte. Die Mambo begruesste Legba und lud ihn ein, sich hinzusetzen und zu speisen. Der Mais waere bereit und es gaebe auch Huhn. Dann reichte sie Legba den Kelch mit dem aufgefangenen Huehnerblut, in welchem man in der Zwischenzeit suesse Gewuerze wie Ingwer und Zimt, sowie Minze und Vermutlikoer beigefuegt hatte. Legba trank es, befand es aber als nicht seinem Geschmack entsprechend. Neben den Trommlern standen die Koeche und reichten immer wieder von neuem Teller und kuemmerten sich um die Opfergaben beziehungsweise um die schnelle Zubereitung der frisch geschlachteten Tiere. Man liess Papa Legba das geschlachtete Huhn zubereiten und auftragen und Hari sah, wie sich De-Niz, die nicht mehr sie selber war, sondern Papa Legba, daran guetlich tat. In der Zwischenzeit waren die Taenze, die Gesaenge, die Opferungen weiter gegangen: Einer nach dem anderen fiel in Besessenheit. Ogu kam, und kaempfte mit einem Saebel in die Luft, der Loa der Schmiede und des Krieges, und er befahl, ihm eine Pistole zu bringen und er schoss damit laut lachend auf eines der Huehner, dann warf er es dem Koch zu und befahl, es ihm zuzubereiten. Damballah, der Schlangenloa, erschien, und der von ihm Besessene kletterte mit geschmeidigen Bewegungen auf das Dach des Peristyls und zischelte von dort oben. Mit safnten und zusprechenden Worten versuchte man ihn runter zu locken, mit silberfarbenen Speisen, die glaenzten; es kamen Agwe, der Loa des Meeres, der sogleich eine blaue Seemannsjacke erhielt und mit Champagner (seine Leidenschaft) zufrieden gestellt wurde. Es folgten Aida-wedo, die Frau von Damballah, den man mittlerweile in ein Bassin voller Wasser gesteckt hatte, und eine Hunsi wurde von Baleine, einer Sirene und Wassernymphe besessen und man legte sie zu Damballah, nachdem man ihn um Erlaubnis gefragt hatte, was dann jedoch den Misfallen von seiner Frau erregte, worauf man ihr lieb zu reden musste und ihr zuliebe einen Gesang anstimmte, der sie pries, und die Fahnen kommen liess und fuer sie tanzte. Wenn immer ein neuer Loa kam, beeilte man sich, diesen gluecklich zu machen, ihn zu verkoestigen und man gab dem “chval” die Attribute des Loas, die Zeichen – eben wie die Kruecke bei Legba oder den Saebel bei Ogu. De-Niz wurde schliesslich von Legba verlassen und man trug sie zur Seite, legte ein Tuch ueber ihr Gesicht, damit niemand zu sehen bekam, wie der Loa sein Pferd wieder verliess. Die Trommeln schlugen schnell und die Gesaenge erfuellten die Luft des Abendhimmels. Ein geschmueckter Bock wurde gebracht, und man trug ihn im Kreise, dreimal um den poteau-mitan, sprach ihm lieb zu und rieb ihn mit Salben und Oelen ein, bevor er geschlachtet wurde, und zwar von Aida-wedo persoenlich, da sie immer noch wuetend ueber ihren Mann war, der mit Baleine im Bassin lag. Sie und die Koeche zerteilten den Bock und sie befahl, wem welches Fleischstueck zufallen sollte. Ihrem eigenen Mann liess sie das beste Fleisch zubereiten und der Wassernymphe sollte man den Schwanz und die Hoden des Bocks zubereiten, da es sie offensichtlich nach solchen Sachen geluestete.

          De-Niz war aus ihrer ersten Besessenheit erwacht und es folgte sogleich die naechste: Diesmal wurde sie von Ezili, ihrer Loa besessen. Als man dies merkte, fuehrte man sie vom Peristyl in einen der Seitenraeume, wo der Schmuck und die Sachen von Ezili aufbewahrt wurden.
          Ein Schwein wurde fuer Ogu geopfert und immer wieder wurde einem Huhn der Kopf umgedreht und es landete bei den Koechen, die es zubereiteten. Die Menge war nun selber allmaehlich in einem Rauschzustand und begann unter dem Takt der Trommeln, den Gesaengen, miteinander und mit den Loa zu tanzen. Wer auch immer zu den Eingeweihten gehoerte, verfiel in Besessenheit und bald war der ganze Humfo mit Feuern wie beim Peristyl erleuchtet und die Umstehenden kuemmerten sich um die Besessenen, fuehrten sie zu ihren Plaetzen und gaben ihnen Essen und Trinken und haeufig wollten die Loa tanzen oder wollten, dass man fuer sie sang.

          Es folgten Baron Samedi, seine Frau, Madame Brigitte, sowie ihr Gefolge, die Guede. Die Menge schrie auf, als die Sippe der Todesloa auftauchte, aber begruesste sie dennoch, die Spassmacher und lud sie ebenso ein, und wollte es ihnen an nichts fehlen lassen. Die Menge war in festlicher Stimmung, der Rum floss in Stroemen, und man reichte jenes Essen, dass die Loa uebrig gelassen hatten, reihum.

          Es ging bereits in die Nacht hinein und die Guede begannen mit ihren obszoenen Spruechen und witzigen Darbietungen, machten anzuegliche Bewegungen hinter dem Ruecken der einen Gaeste zum Gefallen der anderen, stahlen Huete und imitierten den Gang des Bestohlenen, stolzierten uebertrieben ueber den Platz. Dann schenkten sie die Glaeser randvoll, tranken sie selber, und verteilten zugleich an die Gaeste, und machten Sprueche, rissen eine Bemerkung ueber jeden Gast nach der anderen, verteilten Spitznamen und amueseriten sich sowie alle anderen auf diese Weise.

          Dann wurde ein Stier gebracht, der nun geopfert werden sollte. Doch zuvor wurde er umdraengt, und um den Platz gefuehrt. Die Menge versuchte ihm nahe zu gelangen, streichelte ihn, liebkoste ihn, nahm ihn in den Arm. Liebevoll fluesterte man ihm zu, und der Stier war sanft. Er wurde gekuesst, von den Hufen bis zu den Hoernern, von der Schnauze bis zum Schwanz, dann wurde er umkraenzt, ebenfalls mit Oelen eingerieben.

          Aus dem Gebaeude erschien De-Niz nunmehr, die von Ezili besessen war, geschminkt und geschmueckt. Ezili kokettierte mit den jungen Maennern, die ihres Weges kamen, verteilte Handkuesse und liebe Worte, und wurde selbst mit Komplimenten fuer ihre Schoenheit begruesst und erhielt schmachtende Blicke und schmeichelnde Zurufe, die sie strahlen liessen. Die Guede umringten sie und machten ihr ebenfalls Komplimente, machten aber hinter ihrem Ruecken auch ihre Anzueglichkeiten.
          Der Baron trat hinzu und schlug auf die Guede ein, denn schon seit je her ist es so, dass der Baron Ezili begehrt, sie ihn jedoch niemals erhoehrt. Er machte ihr seine Aufwartung, doch sie blickte ihn nur kuehl an. Die Guede begannen nun, sich ueber den Baron lustig zu machen, dessen Avancen einmal mehr erfolglos gewesen waren, und scherzten ueber ihn, was Ezili zum Lachen brachte. Man troestete den Baron und bat ihm an, dass er den Stier schlachten duerfe. Er lehnte ab.
          Da trat Ogu dazwischen und rief aus, er wuerde das gerne uebernehmen und schwang seinen Saebel. Dem Stier wurde die Kehle durchgeschnitten, das Blut wurde aufgefangen und aus Kelchen getrunken, ringsum wurde Schiesspulver verbrannt. Es knallte und es wurde gesungen, getrommelt. Die Menschenmenge schrie auf, tanzte, sang, fuer sich, mit anderen, oder mit den Loa. Ein wahres Tohuwabohu, dachte Hari, der zwar betrunken, aber noch bei Verstande wahr, und das Spektakel genoss.

          Ezili schritt immer noch die Menschenmenge ab und die Guede pfifen ihr nach. Als sie Hari sah, rief sie laut aus, denn dies war ein Fremder, den sie nicht kannte. Hari stellte sich vor und sprach hoeflich und war charmant zu Ezili, der Rum machte ihm die Zunge flink und er wand kunstvoll ein Kompliment um das andere, bis Ezili erroetete ueber die vielen netten Worte. Sie bedankte sich und nannte ihn einen wirklichen Mann von Welt und es waere schoen, hier mal etwas anderes als Bauernluemmel zu sehen und sie bat ihn, mit ihr zu tanzen.

          Ihre unterschiedliche Groesse zwang sie, in ihren Tanzschritten erfinderisch zu sein, aber Ezili fand Gefallen daran und lachte. Der Rum, die vielen Daempfe, die in der Luft lagen, von Schiesspulver, gebratenem Fleisch und den Gewuerzen, die vielen singenden und johlenden Menschen, der wilde Takt der Musik, die wehenden Fahnen, die sich zwischen die Menschen legten und sanft ueber sie streiften, das Schreien und Bruellen der Loa, die ueber die Feuer sprangen oder sogar barfuss ueber die Kohlen gingen, ohne dass sie sich verletzten, der Schein des Feuers, der die tanzenden und zuckenden Leiber in langen Schatten ueber den Humfo warf und schliesslich der Tanz mit Ezili, die sich De-Niz als “chval” ausgesucht hatte, diese vielen Eindruecke die auf die Sinne einschlugen, das machte, dass Hari sich dem Fest ganz hingab, und dass Ezili und er immer enger tanzten, bis sie sich schliesslich kuessten. Ezili war stark parfuemiert, aber er roch dennoch den Geruch von De-Niz darunter, seiner einstigen Geliebten, schmeckte ihre Lippen, denn wenn auch Ezili dies alles tat, so tat sie es mit dem Koerper von De-Niz. Diese verwirrende Doppeldeutigkeit tat das letzte: Haris Koerper begann zu zucken, nun wurde er besessen. Es waren Jahre vergangen, seit er das letzte mal ein Pferd fuer ein Loa gewesen war und er war es nicht mehr gewohnt. Er taumelte, fand, es waere komisch, dass ihm ein Kuss so zusetzte, dass er die Kontrolle ueber seine Bewegungen verlor. Er fiel in die Knie und alles verschwam vor seinen Augen. Er hoerte noch die Stimme von Ezili – oder war es die von De-Niz? – die ihm zusprach, er solle sich nicht wehren, und er entspannte sich und fuehlte, wie sein eigener Verstand sich zurueck zog, wie er in ihm selber zurueck gedraengt wurde, Platz machte, fuer etwas, das nun seinerseits Kontrolle uebernehmen wuerde; ein Gefuehl, wie es einem geschieht, kurz bevor man einschlaeft.

          Baron Saemdi schaute neidisch zu dem Guede, der mit Ezili tanzte. An einem Guede fand sie Gefallen, einem niederen seines Gefolges, und IHN verschmaehte sie!
          Er ging zu ihnen und trat den Winzling vor die Brust, so dass er in den Staub geworfen wurde, und schimpfte mit dem Guede. Ezili entgegnete, sie koenne tanzen mit wem sie wolle und wenn er sich nicht zu benehmen wisse, der Herr Baron, und er den Guede nicht in Ruhe liesse, dann koenne er es sich fuer alle Zeiten abschminken, dass sie es sich ueberhaupt jemals ueberlegen wuerde, vielleicht auch ihm mal einen Tanz zu schenken. Der Baron liess ab. Ezili, ohne seine Antwort abzuwarten, half dem Guede wieder auf die Beine und fand es nun umso reizvoller, mit dem Guede zu tanzen, und ihr misfielen auch nicht die eindeutig zweideutigen Tanzbewegungen, sondern sie musste darueber lachen und sie entgegnete sie zum Spass auf die Weise der Guede: kokett, amuesiert.
          Die Nacht zog sich hin und alsbald loeste sich das Fest auf. Die Zeremonie zerlief sich, es gab kein offizielles Ende – sie war fertig, nachdem alle gegessen und getrunken und bis zur Ohnmacht gefeiert hatten. So nahm auch niemand davon Notiz, wie Ezili und der Guede eng umschlungen in die Schlafraeume der Mambo De-Niz sich zurueck zogen.
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            #6
            echt eine klasse geschichte bisher sehr unterhaltsam und detailreich.Manchmal etwas schwer zu lesen aber trotzdem fesselnd.Macht einem richtig vorfreude auf die fortsetzung
            sigpic
            "Sind wir nicht alle ein bisschen Luna!?^^
            "Ich mag das Mondlicht,es scheint auf alle herab,ohne Unterschied,Lautlos und Sanft,als ob es einen mit Liebe umfangen wollte.Das Mondlicht macht keinen Unterschied.Es scheint auch auf jemanden wie mich herab...Und darum liebe ich es so." Moon Lil

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              #7
              danke, Lunaros.
              Ja, ich weiss, es liest sich manchmal ein bisschen schwierig. Das liegt auch daran, dass ich nen Hang dazu habe, Saetze ins Ewige hinaus zu ziehen, so wie zum Beispiel gerade diesen, wo ich einfach immer wieder ein neues Komma dran setze, was dann das Gefuehl gibt, als ob da einer sehr atemlos spricht, und einfach keinen Punkt machen will.
              Sollte man nicht machen. Ich machs aber troztdem, hehe.

              Ja, naechstes Kapitel kommt in den naechsten Tagen.
              - Die Abenteuer der RPG-Gruppe aka die Tote Harpyie aka die Nachtschicht des Chats
              - Solostory des Gnoms: Hari Seldon und der Vudu

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                #8
                Kapitel 5 - Der Gnom und die Mambo

                Kapitel 5 – Der Gnom und die Mambo

                Am Morgen danach erwachte Hari mit einem Brummschaedel. Der Hahn hatte wohl schon lange gekraeht (oder er war dem letzten Abend zum Opfer gefallen). Es mochte wohl zehn oder elf Uhr sein, ueberlegte Hari, wie er zu den Sonnenstrahlen auf dem Boden blickte. Er schaute rueber zu De-Niz, deren Koerper sich durch das duenne Laken abzeichnete. Sie schlief noch.
                Hari schaelte sich vorsichtig aus dem Bett, um sie nicht aufzuwecken, zog seine Hose an und ging raus auf den Innenhof.

                Halb trunken, halb schlafend stand er da, alleine im Hof. Keine Geraeusche, keine Gespraeche, er war wohl der erste, der aufgestanden war. Im Innenhof uebersah er die Reste des Festes: Noch leicht raeuchelnde Aschehaufen, die Veves, die unter den vielen Tritten der Tanzenden und Besessenen verschmiert wurden, wo diese nicht sogar den lehmigen Boden tuechtig eingestampft hatten. Doch noch die Trommeln, die Kessel und Toepfe, die Fahnen und Baender, die Kraenze. In den Nischen des Peristyls Toepfe, Kalebassen, Kelche. Eine Rumflasche, die da lag. Aschezirkel, Schmauchspuren an den Waenden. Ein Topf voll Mais, fuer die Loa, sowie Ueberreste des geschlachteten Stiers, Federn der Huehner, Knochen. Blutspuren im Sand. Er fand eine Rumflasche, in der noch etwas uebrig war, nahm sie und taumelte in die Kueche.

                Waehrend er sich einen Kaffee aufbruehte, nahm er einen Schluck Rum. Es brannte, war aber angenehmer als er gedacht hatte. Dann drehte er sich eine Zigarette. Der Kaffee war fertig. Er setzte sich hin, trank, rauch, und wie sein Verstand langsam wieder zu sich kam, begann er zu ueberlegen. Versuchte, sich zuerst einmal daran zu erinnern, was passiert war. Das letzte woran er sich noch erinnern konnte, war De-Niz, die ihn kuesste. Er korrigierte sich innerlich: Ezili hatte ihn gekuesst. An danach konnte er sich nicht erinnern. Er wusste bloss noch, dass er taumelnd aus dem Sand aufgestanden war, dass er geschwankt und gezuckt hatte. Wie er sich gewehrt hatte und eine Stimme, die ihm gesagt hatte, er solle sich nicht wehren. Dann hatte er aufgehoert, sich zu wehren, und alles andere war das Werk seines Loa, des Guede gewesen. Er, Hari, konnte sich nicht erinnern, weil er besessen gewesen war, von einem Loa, der, angelockt von der Zeremonie, sich einen Wirt ausgesucht hatte. Und wie alle Besessenen konnte er sich nich tmehr daran erinnern, was er gesprochen oder getan hatte. Normalerweise verflog die Besessenheit waehrend des Rituals, und dem Gerittenen musste nachher erzaehlt werden, was er getan und gesprochen hatte. Mit Erstaunen musst er sich das alles erzaehlen lassen, und wehrte ab: “Was, das soll ich gesagt haben, niemals!” und lachte dennoch, so wie alle anderen lachten. Denn es war ja nicht das Pferd, nicht der Gerittene, der Besessene, sondern der Loa gewesen, der all diese Sachen gesagt oder getan hatte. Das war das unerschuetterliche Gesetz des Vudu: Niemand konnte waehrend er Pferd war, fuer seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Er hatte immer gedacht, dass dies letztlich bloss den Sinn und Zweck hatte, dass die Besessenen all ihre Hemmungen ablegten, ihre Scham. So wie mancherorts halt zu Kostuemen oder Masken gegriffen wurde. Er hatte es immer als so eine Art Ventil betrachtet, ein Druckabstoss. Dass es ihm aber genau gleich wie allen anderen erging, erstaunte ihn und gab ihm zu denken: War der Vudu doch staerker als er meinte? Oder war sein eigener Wille schwaecher als er meinte?
                Er verscheuchte eine Fliege vom Tisch. Dann musste er laecheln. So wie er keine Erinnerung hatte, so hatte auch De-Niz keine Erinnerung. Keiner von ihnen beiden wusste, was sie letzte Nacht wirklich getan hatten. Das hatte etwas betruebliches, dachte Hari, dass es gerade ihnen zwei passieren musste, von den Loa so zusammen gefuehrt zu werden, und sich nicht mehr daran erinnern zu koennen. Aber es hatte auch etwas Amuesantes. So als ob ihnen die Loa schalkend die Nase gedreht haetten und nicht einfach nur als Diener zur Verfuegung standen, sondern die nach ihrem eigenen Willen und ihren eigenen Begehren sie gebraucht haetten. Petro. Die Loa hatten ihren Spass gehabt.

                Hari wusste auch, dass dies vermutlich die einzige Gegend der Welt war, wo solche Exzesse nicht zu entschuldigen waren. Warum auch? Man selber hatte ja auch nichts gemacht, was gab es denn zu entschuldigen? Woanders haette man es als billig erachtet, eigene Ausschweifungen mit dem Willen von Geistern zu rechtfertigen. Hier aber galt es noch nicht einmal etwas zu rechtfertigen, es gab keine Verfehlung. Dass solche Sachen geschahen, war so klar, wie die Sonne auf und wieder unterging.

                Hari merkte, dass er der Logik des Vudu nichts entgegen zu setzen hatte. Merkte, dass er voellig daneben lag, wenn er hierin mehr als einen Schabernack der Loa suchen wuerde. Und das sie schliesslich nicht wissen konnten, was die Loa mit ihnen gemacht hatten, mit ihren Pferden, wer vermochte da nicht auch sagen, ob sie nicht anderes gemacht haetten? Zugegeben, der Anblick, den das Zimmer geboten hatte, liess wohl einen anderen Schluss nahe. Zumal man sich vergegenwaertigen sollte, dass weder Ezili noch der Guede ihr Pferd ritten, um dann Tee zu trinken und Karten zu spielen. Erst Recht, wenn sie Petro waren. Es lohnte sich nicht, gross weiter darueber nachzudenken, befand Hari, schenkte sich nochmals Kaffee ein und streckte sich. Seine Muskeln fuehlten sich erschoepft an und er fuehlte ein Ziehen im Ruecken, dass ihm bisher nicht aufgefallen war.

                Da erklang hinter ihm das Lachen von De-Niz, ein froehliches, ausgelassenes Lachen.
                Er drehte sich um und sah sie im Kuecheneingang stehen, in einem hellgruenen Kleid. Als sie ihn sah, hob sie die Hand zum Mund und prustete laut. Ihr Koerper erbebte vor Lachen und sie lehnte sich gegen die Wand, um nicht umzufallen.
                Hari laechelte verwirrt. De-Niz zeigte mit der Hand auf ihn, immer noch sich schuettelnd vor Lachen. Hari blickte an sich herab und sah, dass seine Brust ueber und ueber mit Kratzspuren versehen war. ‘Doch kein Tee und Kartenspiel,’ dachte er fuer sich, musste aber ebenfalls lachen. Zwischen dem Prusten und Lachen von De-Niz hoerte er sie sagen:
                “Und dein Ruecken!”

                Hari fuhr sich mit der Hand ueber den Ruecken und fuehlte weitere Kratzer, fuehlte die Wunden und das feuchte, zarte Fleisch unter seinen Fingern. Das wuerde ein paar Tage dauern, bis das wieder verheilt war. De-Niz hatte sich langsam beruhigt von ihrem Lachanfall und setzte sich zu Hari, nahm ebenfalls einen Kaffee. Ihr Blick war unveraendert der selbe wie am Tag zuvor, nichts liess darauf schliessen, dass sie in den Ereignissen der letzten Nacht mehr sah, als einen Schabernack der Loa.

                Hari seufzte: “Ezili hat diesen Koerper ziemlich geschunden.”
                “So ist sie. Beklag dich nicht, und freu dich lieber, dass es Ezili war, mit der du umgegangen bist.”
                Hari laechelte. “Es freut mich ja... dass ich die Ehre hatte, dass mein Koerper sowohl von dem Guede wie auch Ezili geritten wurde –“ De-Niz lachte auf und verschluckte sich fast am Kaffee – “aber das wird Tage dauern, bis diese Wunden wieder verheilt sind.”
                “M’ptit. Wenn du meinst, nur dein Koerper waere gestern zum Spielball eines liebestollen Loa geworden, dann irrst du dich. Ich weiss ja genau so wenig wie du, was Ezili und der Guede genau gemacht haben, aber lass mich dir sagen: Ich trage ebenso die Zeichen von... dem Guede und seiner Liebestollheit. Und dass du sie nicht sehen kannst, diese Zeichen, m’ptit, soll dir ein Wink sein, WO der Guede seine Zaertlichkeiten und Tollheiten ausgelebt hat.”
                Ihre Worte waren gewaehlt und vorwurfsvoll, aber ihr Blick war anzueglich und amuesiert: “Und lass dir desweiteren sagen, dass du dir diese –“ Sie zeigte mit dem Finger auf Haris Brust “- diese Spuren letztlich dem Guede zu verdanken hast und nicht etwa Ezili.”
                “Warum?”
                “Nun. Dank dem Guede habe ich jetzt anstatt eines schoenen Kleides einen Fetzen von Stoffresten. Waere es nicht der Guede gewesen, ich waere jetzt wuetend. Und ich kann mir vorstellen, dass Ezili hingegen, die ja auf ihr Aeusseres bedacht ist und die ja doch eine Dame ist, auch wenn manchmal aufbrausend und unbesonnen – dass also Ezili nicht gerade gluecklich darueber war, was der Guede mit ihrem Kleid angestellt hatte: Es zu zerreissen anstatt es auszuziehen, so dass sie das beim darauf folgenden an Brust und Ruecken wieder zurueck gegeben hat.”

                De-Niz warf ihm wieder den selben Blick wie zuvor zu. Dann trank sie ihren Kaffee aus und erhob sich: “Ich kann nicht mehr auf diesem harten Stuhl sitzen.” Sie schaute zu Hari und ein Laecheln umspielte ihre Lippen. Nach zwei Sekunden begriff Hari und ihm schoss die Schamesroete ins Gesicht.
                “Hari, wir haben noch einiges zu tun. Hier muss aufgeraeumt werden und du, Hari, mach dich frisch und zieh dir was an, damit nicht jeder sehen kann, wie Ezili verfaehrt, wenn sie einen Liebhaber bei sich liegen hat. Sie ist eine Dame und es gehoert sich nicht, mit ihren Zeichen so offen herumzulaufen. Mach dich also frisch und komm nachher zu mir, und wir besprechen deine Sache, wie versprochen.”

                Nach einer Dusche und einem weiteren Kaffee, wobei er den Humfo allmaehlich erwachen sah, wie De-Niz ihren Hunsi befahl, aufzustehen und sauber zu machen, sowie eines weiteren Kaffees und einigen scherzhaften Worten, die er mit den Hunsi wechselte, waehrend er ihnen half beim Aufraeumen, ging er schliesslich zu De-Niz, zu ihrem Beratungs-, Bet- und Altarraum. Sie hatte sich ebenfalls nochmals frisch gemacht und sass nun in aller Wuerde einer Mambo vor ihm auf einem Kissen am Boden. Ihre Bewegungen und Worte waren einladend, aber auch kuehl und beinahe geschaeftsmaessig. Aber ihr Blick war offen und verriet die Freundin hinter der Priesterin. Es befolgte das Zeremoniell, begruesste sie indem er den Boden vor ihr kuesste und setzte sich auf ihr Zeichen ihr gegenueber. Sie bat ihn, ihr sein Anliegen vorzubringen.
                Hari seufzte. Wo sollte er anfangen?

                Er war, so sprach er, hierher gekommen, um sein Schicksal zu befragen, da er nicht mehr weiter wusste. Dann fing er an, zu erzaehlen, warum er nicht mehr weiter wusste. Er begann zu erzaehlen, waehrend die Mambo ihm zuhoerte und nickte. Er begann, frei zu erzaehlen: Von seinen Sorgen, seinen Wuenschen, seinen Vorstellungen. Wohin es ihn zog, aber was er auch nicht vermissen wollte. Was ihn beschaemte, ihn zur Unsicherheit trieb, und was er sich nicht zutraute. Stunden vergingen, und nur einmal liessen sie sich aus der Kueche Kaffee bringen. Hari bat darum, rauchen zu duerfen, und die Mambo erlaubte es ihm und zuendete sich selbst eine Zigarre an.

                “Ich fuehle mich wie an einer Weggabelung, einer Kreuzung und weiss nicht, welchen Weg ich einschlagen soll. Zu viele Wege sind offen, und vor jedem habe ich gleich viel Angst und auf alle Wege freue ich mich gleichermassen. Denn alle versprechen ein Abenteuer eigener Art, jeder Weg auf seine Weise.”
                Jetzt, da Hari allmaehlich zum Ende dessen kam, was gesagt werden musste in dieser Beziehung, da er sein Innenleben ausgebreitet hatte vor der Priesterin, da erschien es ihm merkwuerdig, wie er hier so vor ihr sass. Noch am Morgen waren sie beide im selben Bett erwacht, ihre Koerper erschoepft von der Besessenheit der letzten Nacht. Zwoelf Jahre lang hatten sie sich nicht gesehen, obwohl sie zuvor eine der schoensten Zeit ihres Lebens gehabt hatten. Er gab auch dies zu bedenken, erwaehnte das ebenfalls, dass er nun unsicher waere, ob dies nicht noch ein weiterer Weg war. Denn ploetzlich, so unsicher war mittlerweil, koennte es ja auch sein, dass ihn das Schicksal wieder hierher zurueck gefuehrt hatte, damit er hier blieb. Dass es der Wille der Loa waere.

                Die Mambo winkte ab:
                “Was die Loa fuer dich wollen, kann ich dir nicht einfach so sagen. Was die letzte Nacht anbelangt, weisst du selber, wie es darum steht: Die Loa hatten ihr Vergnuegen, weder du noch ich. Und was die zwoelf Jahre anbelangt: Wir koennen uns fragen, wie unser Leben verlaufen waere, wenn du hiergeblieben waerst. Aber wenn du geblieben waerst, wuerden wir jetzt hier sitzen und uns anstelle die Frage stellen, was geschehen waere, wenn du doch gegangen waerst. Du siehst: Das war damals eine Kreuzung fuer dich und du konntest dich entscheiden, hast dich entschieden. Du kannst aber nicht zu dieser Kreuzung zurueck gehen. Aber jede Kreuzung, die man hinter sich laesst, nachdem man sich entschieden hat, gibt einem immer wieder zu denken, gibt einem den Anlass, darueber nachzudenken, wie es wohl gewesen waere, wenn man den anderen Weg eingeschlagen haette. Das weiss keiner besser als Legba.”

                Die Rolle der Mambo war waehrend dieser Worte von ihr gewichen. Sie hatte es sich waehrend der Zeit, da er erzaehlt hatte, gemuetlich gemacht. Nun sass sie da, mit angewinkelten Knien. Sie nahm einen tiefen Zug von der Zigarre, blies den Rauch aus und ueberlegte weiter. Auf Hari hatten ihre Worte einen tiefen Eindruck gemacht. De-Niz fuhr fort:
                “Sie ist eine Daemonin, die kleine, hast du gesagt?”
                Hari nickte verlegen. De-Niz laechelte und schuettelte den Kopf. Sie drehte die Asche am Aschenbecher ab und setzte sich wieder in den Schneidersitz.
                “Schau mal, m’ptit. Ich kann dir helfen, sicherlich. Aber ich weiss nicht, ob du meine Hilfe ueberhaupt brauchst, ganz im Vertrauen. Ich kann dir einen guten Ratschlag geben, aber ich merke, damit ist dir nicht geholfen. Denn das haben andere auch schon getan. Auch kann ich dir nicht damit helfen, die Loa herbei zu rufen, denn es ist deine Entscheidung, dass ist mir klar geworden aus deinen Worten. Du waerst nie gluecklich mit deiner Entscheidung, wenn sie durch die Loa getaetigt wuerde. Und da du ganz sicher nicht den weiten Weg hierher gemacht hast um mal kurz Hallo zu sagen, oder weil du meine huebschen Augen mal wiedersehen wolltest, das konnte ich deutlich daran sehen, dass du dich heute morgen geschaemt hast, obwohl du keinen Grund dazu hast. Und ehrlich gesagt, wissen wir auch beide, WARUM du dich geschaemt hast – und da nach alldem du dir immer noch unsicher bist, so frage ich dich denn, m’ptit, WAS, was genau erhoffst du dir hier? Was hast du dir vorgestellt, wie dir eine Mambo helfen kann?”

                Hari ueberlegte kurz, aber eigentlich hatte er die Antwort auf ihre Frage schon. Jetzt war ihm der Schluessel in die Hand gefallen, und das Tor gleich dazu, metaphorisch gesprochen. Die ganze Zeit hatte er gewusst, dass er hierher gekommen war mit einem Ziel, nur war es immer unklar, er wusste nie genau, WAS fuer ein Ziel. Nun, mit jedem Wort, das De-Niz gesprochen hatte, war es ihm klar geworden, was er sich hier fuer eine Hilfe erhoffte. Er suchte nur noch nach den richtigen Worten, wie sich seine Vorstellung in ein Vuduritual uebersetzen liessen.

                Dann laechelte er und sprach:
                “Mach aus mir einen Zombi.”
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                  #9
                  So dann will ich mich mal ans werk machen und gucken was hier wieder für eine geschichte geschrieben wurde ^^


                  MfG
                  Zuletzt geändert von FegeFeuer; 07.11.2012, 13:33.
                  sigpic
                  Madness is rising. What will it give to you? Undeniable power of chaos or the power to stop this?
                  What is your choice? Will you love or hate it?

                  Über 5.000 Hits mit meiner ersten Geschichte "Die Legende von Tanar"

                  Über 10.000 Hits mit meiner zweiten Geschichte "Die Legende von Tanar II"

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                    #10
                    Kapitel 6 - Einmal zu den Toten und zurueck, bitte.

                    Der Radiomoderator nimmt die Nadel von der Tom Waits-Platte und fluestert mit rauher, tiefer Stimme ins Mikrophon: “Und jetzt, fuer alle, die noch nicht schlafen koennen, das naechste Kapitel in unserer Reihe. Und vergesst nicht: Wir wollen niemanden zum Voodoo bekehren, aber wer es trotzdem macht, der weiss ja auf was er sich einlaesst und kriegt einen Lollipop zum Trost – und wie immer: macht keine Rituale zuhause nach, Kinder... “stay tuned with radio lyric FM”...”

                    Kapitel 6 – Einmal zu den Toten und zurueck, bitte.

                    Die Mambo schaute ihn entgeistert an, mit offenem Mund. Ihr Gesicht sprach Erstaunen aus und verlangte, dass Hari seine Idee ausfuehrte.
                    Hari laechelte und setzte an, zu erklaeren:
                    “Der Boko macht aus dem Toten einen Zombi, indem er ihre Seele einfaengt und diese wieder an den toten Koerper bindet, so dass er zurueck kehrt. Weder lebendig, noch tot, ist ihm der Zombi untertan. Er bedient sich hierzu einer Rezeptur, eines Giftes, welches er dem zukuenftigen Zombi einfloesst, das es ihm ermoeglicht, die verstorbene Seele dem verstorbenen Koerper wieder anzubinden. Ich kenne dieses Gift nicht, aber ich vermute, du weisst, welches ich meine.”
                    Die Mambo nickte: “Sprich weiter.”
                    “Nun, was wuerde geschehen, wenn wir dieses Prozedere an einem Lebenden vollfuehrten?”
                    “Nichts, da er ja lebt.”
                    “Richtig, aber was waere, wenn sein Koerper und sein Geist getrennt waeren?”
                    “Dann koennte man so den Geist wieder dem Koerper zufuehren.”
                    Die Mambo hob die Augenbraue: “Wenn du meinst, ich wuerde dir den Geist aus deinem Koerper treiben, dann machst du dir aber falsche Vorstellungen, m’ptit. Ich kann das machen, jede Mambo kann das, aber wir machen es nur dort, wo ein Mensch von einem boesen Geist besessen ist. Wo er zwei Geister, den eigenen und dem fremden in sich hat. Weisst du, was geschehen wuerde, wenn ich dort, wo nur ein Geist ist, diesem befehle, seinen Koerper zu verlassen? In diesem Moment waere dein Koerper tot und du wuerdest doch nur als Zomib zurueck kehren: In einen toten Koerper.”

                    “Richtig. Auch daran hatte ich gedacht. Was waere nun, wenn ich einen zweiten Geist in mir haette, der in mir gefangen waere, waehrend ich ausgetrieben wuerde?”
                    “Dann wuerde es klappen: Mit einem zweiten Geist in dir koennten wir deinen Geist von deinem Koerper loesen und so, wie du es vorgeschlagen hast, wieder zurueck an deinen Koerper binden. Dein Koerper wuerde durch den zweiten Geist am Leben gehalten. Aber was bringt dir das, als Seele aus deinem Koerper vertrieben zu werden? Woher willst du einen zweiten Geist nehmen, der dies fuer dich macht, deinen Koerper warm haelt, bis du zurueck kehrst? Das wuerde dir nur etwas bringen, wenn du-“

                    Hari grinste und nickte. Da daemmerte der Mambo, was der Gnom vorschlug: “Du willst...?”
                    Hari nickte erneut und die Mambo erschrak: “Du willst einen LOA dazu zwingen? Du willst zu den LOA gehen, das willst du! Du willst ernsthaft einen Loa in deinen Koerper einsperren und anstelle seiner zu den uebrigen Loa zurueck kehren?”
                    De-Niz senkte ihre Stimme, da allein der Gedanke ihr anmassend erschien. Als Lebender zu den Loa gehen, sie austricksen: “Du willst einen Loa herbeirufen, ihn locken und in deinen Koerper einsperren, waehrend du ausserhalb deines Koerpers unterwegs bist, willst ihn wie einen Platzhalter einsetzen und gebrauchen?”

                    “Nicht irgendeinen. Wir nehmen meinen Loa, den Guede.”
                    “Gut, er wuerde vielleicht noch mitmachen, wenn auch du tausendmal in seiner Schuld stuendest. Aber du weisst nicht, worauf du dich einlaesst: Der Guede verlaesst die Welt der Loa und anstatt seiner kehrst du zurueck... du waerst inmitten der Loa, ohne dass du dazu berechtigt waerst. Was machst du, wenn das Legba sieht, oder der Baron? Die Welt der Loa ist kein Urlaubsziel, wo man einfach hinein spazieren kann. Mir graut vor der Vorstellung, was dich dort erwartet, oder, wenn es dir gelaenge, ihnen zu entkommen, wie gross ihr Zorn auf dich in dieser Welt waere...”
                    Hari strich sich durch den Bart: “Mit den Loa, glaube ich, komme ich klar. Sicherlich wird sie das verstimmen, aber ich glaube, die Loa, und ganz sicher Ezili, sind mir zugeneigt. Ueberdies sind sie durch das Fest von gestern geschmeichelt und sind sicher gnaedig.”

                    De-Niz sah, dass der Gnom zuversichtlich war und keine Angst hatte. Sie gruebelte.
                    “Nun,” sprach Hari, “glaubst du dass das moeglich waere?”
                    “Die Rituale wuerden klappen, technisch ist das alles moeglich. Doch die Loa... ein falsches Wort, waehrend du bei ihnen bist... Ich mag gar nicht daran denken.”
                    “Die Loa lass meine Sorge sein. Nein, ich befuerchte eher, dass das Ritual schief gehen koennte.”
                    “Aber Hari,” De-Niz ruempfte die Nase, “das lass meine Sorge sein.”
                    “Mein Leben haengt von dir, deinem Willen und deinen Faehigkeiten ab.”
                    “Ich vespreche dir, dich wieder zurueck zu bringen. Ich habe versprochen, dir zu helfen und du kannst mir vertrauen.”
                    Hari nickte, denn er wusste, dass De-Niz die Wahrheit sprach: Er war bei ihr in sicheren Haenden. De-Niz wollte ihn auch zurueck bringen, nicht nur wegen des Versprechens, das sie gegeben hatte, sie hatte auch noch andere Gruende.

                    Sie begannen also, alles noetige fuer dieses Ritual zusammen zu suchen und vorzubereiten. Als erstes opferten sie Ezili und dem Guede, denn Hari wuerde auf ihre Hilfe und guten Willen zaehlen. Daraufhin bereitete De-Niz die Tinkturen, die Oele und das Raeucherwerk vor, und gab ihren Hunsi und Jean-Pierre Anweisungen, was alles mitzunehmen wuerde.

                    Als der Abend kam, fand sich eine kleine Gruppe auf dem Peristyl ein und begann, wie am Abend zuvor, damit, die Loa anzubeten, unter Gesaengen und Musik. Ein Opfer wurde Legba gebracht, sowie ein Opfer fuer die anderen, wichtigen Loa, damit sie nicht zuernten, dass man eine Zeremonie vollzog, die fuer einen Guede bloss galt. Alsbald wurde Hari, dem man ein stark alkoholhaltiges Getraenk, das stark gewuerzt war, verabreichte, damit der Guede angelockt wuerde, besessen von ebenjenem Guede. Sogleich wurde der Guede aktiv, quirlig begann er zu reden, machte Sprueche und anzuegliche Bemerkungen. Der Guede erkannte De-Niz, und, obwohl es Ezili gewesen war, welcher er in der letzten Nacht beigelegt hatte, so erkannte er sie dennoch als das “chval”, das von Ezili geritten wurde. Der Guede liess es sich nicht nehmen, eine Anzueglichkeit nach der anderen in anspielender Weise auszusprechen, so dass die Mambo erroetete und die Umstehenden sich das Laecheln nicht verkneifen konnten, wie sie all die pikanten Details zu hoeren kriegten, das Ausmass der Ausschweifungen, welche Ezili und der Guede ihren chval zugemutet hatten.
                    Man gab dem Guede ein Getraenk, sagte ihm, es waere Rum, und er trank es gierig. Es war jedoch das Gift, welches De-Niz zubereitet hatte, und welches die Rueckkehr der Seele vorbereitete und welches die Wirkung hatte, den Guede in die Naehe des Todes zu bringen. Dies hatte die angenehme Wirkung, dass der Guede nicht mehr sprechen konnte, da seine Muskeln allesamt versagten mitsamt seiner Zunge. So lag denn der Koerper des Gnoms, der immer noch von sowohl dem Guede wie auch von Hari beseelt war, regungslos da, wie ein Toter, wenn auch noch schwach lebend.
                    Nun wurde der Koerper wie eine Leiche vorbereitet: Er wurde ausgezogen und gewaschen, sowie mit den zeremoniellen Oelen eingerieben.

                    Der Guede bekam Misfallen an der Sache und schnappte veraergert nach Luft. Die Mambo drueckte ihre Rassel gegen die Stirn und befahl ihm, in Haris Koerper zu bleiben. Dann schnitt man vom Kopfhaar ein Bueschel sowie die Haare auf dem Koerper, schnitt desweiteren die Finger- und Fussnaegel und legte alles in einen Krug, den “govi”: Dieser govi war die symbolische Seele von Hari. Die Boko, die Zauberer, erlangten ueber die Seelengefaesse die Macht ueber ihre Opfer, freilich galt es hier bei diesem Ritual, mittels des Seelengefaess die Macht zu haben, Haris Seele wieder zurueck zu zwingen. Denn man konnte schliesslich nicht wissen, ob dies Seele ueberhaupt Lust verspueren wuerde, die spirituelle Ebene wieder zu verlassen. Das hatte Hari nicht bedacht, dass er vielleicht gar nicht zurueck kehren wollte, aber De-Niz hatte daran gedacht.

                    Alsdann nahm man die Austreibung des Geistes vor: Die Trommeln wurden geschlagen und das Raeucherwerk entzuendet, und damit wurde um das Gesicht gewedelt. Die Mambo schlug mit der Rassel und beschwoerte den Geist, hinaus zu fahren, den Geist Haris. Neben der Gruppe standen die boule-zins, Gefaesse, die mit Oel gefuellt waren, die ueber Feuern hingen. Sobald das Oel darin sich so erhitzt hatte, dass es zu Brennen begann, war die Seele entstiegen. Helle Stichflammen stiessen gegen den Himmel aus den boule-zin: Hari hatte seinen Koerper verlassen. Nun war nur noch der Guede im Koerper des Gnoms, musste seinen Platz einnehmen, und warten, bis Hari zurueckkommen wuerde. Er war darueber nicht sehr begeistert, und schaute grimmig und roechelte veraergert. Man bereitete ihn zur Beerdigung: Umband sein Kinn, band ihm die grossen Zehen zusammen und bedeckte ihn mit einem Tuch, hob ihn sodann auf eine Bahre, und trug ihn zum Humfo hinaus, waehrend die Hunsi die Totenklage sangen.

                    Der Weg zum Friedhof, der abgeschieden lag, dauerte etwa eine viertel Stunde. Dort trugen sie den Leichnam zu einem bereits ausgehobenen Grab und legten ihn vorsichtig hinein und schuetteten die Erde wieder darueber. Da das Ritual des Zurueckholens des Toten zu stark davon abhing, dass das Bestattungszeremoniell eingehalten wurde, befahl die Mambo, dass dem Toten und seiner Ehre entsprechend ihn wuerdigend zu trauern sei.
                    So erklangen die Stimmen der Hunsi und schliesslich auch die von De-Niz, die laut jammerten und den Tod von Hari Seldon beklagten. Durch die Nacht erklangen ihre Rufe, und da man hier ja eigentlich eine List anwendete und befuerchten musste, das Mistrauen der Loa zu wecken, galt es, wirklich so zu trauern, als ob Hari gestorben waere. So sah man denn von Fern, wie sich eine Gestalt immer wieder von neuem auf das Grab warf und laut schluchzte und jammerte: Wie sie den “rel” ausstiess, den gellenden Schrei um die Nachbarn ueber den Tod einer Person zu informieren und hoerte ihre Totenklage, den Vocero, worin die guten Eigenschaften des Toten aufgezaehlt wurden. Sodann warf man sich von neuem auf das Grab und weinte.

                    Als die Stunde vorgerueckt war, nahm Jean-Pierre De-Niz vom Grab und erinnerte sie daran, dass es nun Zeit waere, Hari zurueck zu holen. Die Mambo rieb sich die Traenen aus den Augen, nahm den govi, das Seelengefaess zur Hand und begann die Beschwoerungen eines boko, eines Zauberers zu sprechen. Sie befahl der Seele, zurueck zu kehren. Sie oeffnete den govi und trat mit ihrer Rassel zum Grab.

                    “Steh auf,” rief sie dreimal und wartete.

                    Nichts geschah.
                    Sie rief nun den Namen des Verstorbenen und befahl von neuem, er solle aufstehen.
                    Als noch immer nichts geschah, da wurde es De-Niz mulmig und sie flehte innerlich, dass Hari zurueck kehren sollte...
                    Zuletzt geändert von Hari Seldon; 09.12.2011, 01:05.
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                      #11
                      Kapitel 7 - Schicksal und Urteil

                      “Und hier spricht wieder radio lyric FM... willkommen zurueck, ihr Nachtschwaermer und zuhause gebliebenen. Diesmal haben wir gleich zwei neue Kapitel. Und ich muss euch sagen, es ist mir eine ausserordentliche Freude, diese zwei Kapitel. Unter uns gesagt, ist das ja alles ein ausgemachter romantischer Schmus, aber im ersten der beiden Kapitel koennen wir wenigstens mal endlich die Loa kennen lernen: Angenehm nur die Goetter, die menschlich sind. Und im zweiten Kapitel kriegt Hari endlich mal eins auf die Muetze oder zumindest in die Magengrube: Alle Helden sollen leiden, und ich haette sein Gesicht zu gerne gesehen, sage ich euch... aber ich verrate nichts, sondern gebe euch die Kapitel...”

                      Kapitel 7 – Schicksal und Urteil


                      “Steh auf, Hari Seldon.”
                      Hari Seldon fuehlte, wie er erwachte. Er war an einem Ort, der ihm wie Dunkelheit und Licht zugleich schien, der aber weder dunkel noch hell war. Er war – aber er war auch nicht. Er fuehlte nichts, aber er spuerte, dass ihn etwas umgab: Nicht Leere, sondern ein Wabern, wie Luft und Wasser und Erde, die sich gleichzeitig um ihn draengten.

                      “Habe keine Angst.”
                      Vor ihm erschien Ezili. ‘Wo bin ich?’ dachte Hari. Und ohne, dass Ezili ihren Mund geoeffnet haette, hoerte er sie sprechen: “Das weisst du doch.”
                      Dann oeffnete sie ihren Mund und er sah sie sprechen: “Es ist dir lieber, wenn das so ist, nicht wahr?”
                      Da stand er ploetzlich selber wieder da, leibhaftig, mit Koerper und amtete Luft. Er und Ezili standen auf einer Ebene, es war dunkel um sie. Nur am Horizont leuchtete ein Licht. “Ihr seid so lustig, kaum seid ihr hier, vermisst ihr euren Koerper.”
                      Ezili nahm ihn an der Hand und er folgte ihr. Er fuehlte sich in Sicherheit bei ihr. Er bedankte sich. Sie lachte und bedankte sich fuer den Tanz. Er entschuldigte sich wegen des Kleides. Sie lachte erneut und sprach, das waere nicht seine Schuld. Sie entschuldigte sich wegen der Kratzer. Er machte ihr wieder ein Kompliment und sie entgegnete nichts, aber drueckte liebevoll seine Hand. Sie marschierten still nebeneinander zum Licht und er dachte noch viele nette Dinge ueber Ezili und jedesmal bedankte sie sich mit einem sanften Haendedruck, wenn er etwas liebes dachte.

                      Sie gingen dem Licht entgegen und bald waren sie bei den anderen Loa.
                      Bis zum Horizont sah Hari die Geister und Seelen, die Daemonen und die Seelen der Toten. Sie standen und sassen, lagen, flogen durch die Luft oder unter ihnen.
                      Dann stand er vor den Loa: Legba in der Mitte, ein alter Mann in Bauernkleidung, der Baron mit Zylinder und Gehrock, weiss geschminkt; Ogu auf der anderen Seite, ein grosser Kerl mit Muskeln und der Statur eines Kriegers; da war Zaka, der Loa der Pflanzen und Waelder, selber gruen und aus Blaettern; Madame Brigitte, die Frau des Barons: duester und so bleich geschminkt wie er, mit hellen roten Lippen; Damballah, die Schlange, der sich wand, als haette er keine Knochen: Agawu, der Loa des Sturmes, Blitz und Donner, und noch viele mehr...
                      Da standen sie alle, versammelt, und schauten auf ihn. Ein Halbrund, auf erhoehten Reihen, gleich einem Gericht. Ihm war mulmig. Ezili drueckte nochmals seine Hand, laechelte ihm zu und setzte sich dann ebenfalls zu den Loa.

                      Baron Samedi: Das ist unerhoert! Dass dieser Gnom uns so austrickst und einen Guede misbraucht. Ich verlange Gerechtigkeit! Ich verlange es, weil die Toten meiner Verantwortung unterliegen und nichts darf den Baron austricksen.
                      Legba: Ich moechte zuerst hoeren, warum er das gemacht hat, Baron, und auch wenn ich es schon weiss, ich will es von ihm hoeren.

                      Hari: Ich bin hierher gekommen, um mein Schicksal zu erfahren. Ich entschuldige mich, dass es zu dieser, aeh... Situation gekommen ist, aber mir blieb kein anderer Ausweg, nachdem ich alles versucht hatte.

                      Baron Samedi: Billige Entschuldigung, um den Loa einen Streich zu spielen!
                      Damballah: Und er war... sss... auch nie den Loa... sss... treu.
                      Ogu: Ja, wo blieben die Opfer, die Opfer!
                      Legba: Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, ptit?

                      Hari: Als ich die Insel betrat, das erste mal, wurde ich euer Diener. Als ich die Insel verliess, wurde ich aus eurem Dienst entlassen. Nun bin ich zurueck, und bin wieder in eurem Dienst. An anderen Orten werdet ihr ebenso geheiligt: Das “nanm”, aus dem auch ihr besteht, habe ich nie verraten, sondern es studiert. Und nie habe ich es in boeser Absicht verwendet.

                      Baron Samedi: Billige Ausrede!
                      Ogu: Ja, wo blieben die Opfer?!
                      Zaka: Ich will doch auch etwas dazu sagen...
                      Ogu: Ruhe, du hergelaufener Wald- und Wiesenloa, du Blaetterteig! Ich will ihn mit meinem Saebel aufspiessen, dann habe ich mein Opfer.
                      Baron Samedi: Ja, toetet den Toten! Also ich meine, den Untoten! Aeh, wie auch immer: Er gehoert mir!

                      Legba: Zaka soll sprechen.
                      Zaka: Ich gebe zu bedenken, oh grosser Legba, dass man sich lange darueber streiten kann, ob der ptit von uns abgefallen ist oder nicht. Man koennte stundenlang darueber streiten und kaeme doch zu keinem Ergebnis. Ich persoenlich glaube, dass er es nicht ist. Denn ich habe ihn bei den Elfen gesehen, wo er die Waelder und Haine ebenso heiligte, wie es auch hier genehm ist.
                      Legba: Auf den Punkt, Zaka.
                      Zaka: Ja. Aber wenn man Opfer in seinem Namen verlangt, dann sage ich: Hat nicht seine Freundin immer auch in seinem Namen geopfert und hat sie uns nicht immer darum gebeten, ihn zu beschuetzen?

                      Legba: Ezili, du bist ihre Loa. Stimmt es, was Zaka sagt?
                      Ezili: Ja, es stimmt.
                      Legba: Was ist deine Meinung?
                      Ezili: Auch ich glaube, dass der ptit sich nichts zu Schulden hat kommen lassen.
                      Legba: Ich habe gehoert, dass du an ihm einen Gefallen gefunden hast?
                      Ezili: Ja, Papa Carrefour.
                      Baron Samedi: Gefallen! Pft! Herumgehurt hat sie, und deswegen soll er sich das erlauben duerfen?

                      Madame Brigitte: Mein lieber Mann, du verkneifst dir deine eifersuechtigen Reden, sonst gibt es ein Donnerwetter.
                      Agawu: (erwacht als er seinen Namen hoert) Donnerwetter? Fuer Donnerwetter bin immer noch ich zustaendig.
                      Madame Brigitte: Blas dich nur nicht auf. Und du, lieber Ehemann, Baron, du willst doch an dem ptit nur das raechen, was du von Ezili nie erhaelst. Und da mache ich nicht mit, bei deinen eifersuechtigen Spielchen. Da trete ich in den Streik, nehme die Guede mit und du kannst schauen, wo du bleibst, liebster Goettergatte! Lasst den ptit ziehen und wehe, wehe dir, mein lieber, du sagst auch noch einen einzigen Mucks, ausser er ist zur Verteidigung des ptit!
                      Baron Samedi: (kleinlaut) Ja, gut, lasst ihn ziehen.

                      Legba: Gut. Hiermit ergeht mein Urteil: Wir wollen dir fuer diese Frechheit keine Strafe geben, solange du uns versprichst, dass du es nie mehr wieder machst.
                      Hari: Ich verspreche es und bedanke mich bei euch.

                      Ogu: Aber mein Opfer, wo bleibt mein Opfer?!
                      Legba: Ruhe, Ogu. Nun sprich aber, ptit, warum hast du diesen Weg auf dich genommen, den Zorn der Loa herausgefordert?
                      Hari: Ich will mein Schicksal wissen, oh Legba.
                      Legba: Niemand soll sein Schicksal wissen, das wuerde ja den ganzen Spass nehmen.
                      Ogu: Ho-ho.

                      Hari: Oh Legba, Meister der Kreuzungen, Papa Carrefour, sieh mich an: Ich stehe an einer Kreuzung und weiss nicht, welchen Weg ich nehmen soll. Es sind zu viele Wege und ich fuerchte mich, den falschen einzuschlagen. Ich will auch gar nicht wissen, was geschehen wird, ich will nur einen Wink, welchen ich nehmen soll.

                      Legba: Gebt mir sein Buch!
                      Hari: Mein Buch?
                      Ezili: Dein Lebensbuch, wo alles niedergeschrieben wird.
                      Legba: Jawohl, dein Lebensbuch. Oder was hattest du gedacht? Dass ich deine Abhandlung ueber die Metaphysik in der gnomischen Philosophie des spaeten Zeitalters lesen wuerde?
                      Hari: Nein, entschuldigung.
                      Legba: Ich habs mal versucht, viel zu langweilig. Der Tip ist gratis: Schreib mal was lustiges, und nicht immer dieses akademische Zeug.
                      Hari: Ja, danke.
                      Ezili: Das Lebensbuch verzeichnet alles, was du gemacht hast und alles, was noch geschehen wird. Aber nichts ist festgeschrieben, die meisten Seiten sind leer.

                      Legba: (oeffnet das Buch) So, wollen mal sehen... (blaettert) Hmmmm. (lacht) Oh, das ist koestlich, schaut euch das mal an.
                      Ogu: Ho-ho-ho.
                      Ezili: Nein, wie suess.
                      Legba: Und das hier... haha, das ist peinlich. Wie kann er nur?
                      Ezili: Da geht es weiter.
                      Legba: Ach nein, das ist ja wirklich... Also, hoer zu, Hari. Du brauchst wirklich nur einen Wink, du hast es ja wirklich nicht einfach. Ich helfe dir, dass du den richtigen Weg einschlaegst.
                      Hari: Danke, Papa Carrefour.

                      Legba: ABER. Ich will einen Satz in dein Buch hineinschreiben.
                      Hari: Einen Satz?
                      Legba: Nur einen. Was meinst du?
                      Hari: (ueberlegt) Ezili, was meinst du? Ich vertraue deinem Rat.
                      Ezili: Es ist kein Trick, hab keine Angst. Es ist wirklich nur ein Satz, und dein Schicksal liegt trotzdem in deiner Hand.
                      Legba: Es wird auch nur ein kurzer Satz sein, nicht so ein verschwurbelter wie in deinen Abhandlungen.

                      Hari: (nickt) Also gut, ich nehme an. Ich erfahre mein Schicksal und du darfst einen Satz in mein Lebensbuch hinein schreiben.
                      Legba: Gut. (blaettert im Buch) Einen Stift! Hier... (schreibt)
                      Ezili: (entsetzt) Nein!
                      Ogu: Ho-ho.
                      Baron Samedi: Ha!
                      Legba: Ruhe! Kein Wort, verstanden! Auch du nicht, Ezili.
                      Hari: Was ist?

                      Legba: Geh jetzt, Hari Seldon. Dort hinten durch. Du wirst dein Schicksal zu sehen kriegen, und dann von dort wieder zurueck kehren. Und schick mir den Guede wieder zurueck.
                      Hari: (zu Ezili) Was hat er geschrieben?
                      Ezili: Hab keine Angst, es wird alles gut kommen. Jedes Ding hat zwei Seiten, vergiss das nicht. Und dein Schicksal bleibt gleich. Geh jetzt.
                      Hari: Ja, ich danke euch. Euch allen. Und vorallem dir, oh Legba, und Zaka, fuer deine Fuersprache. Und ganz besonders dir, Ezili.

                      (Hari geht und verschwindet im Nebel)


                      Ezili: (zu Legba) Das war nicht nett.
                      Legba: Er ist klug, aber auch frech. Er darf nicht mit allem durchkommen.
                      Ezili: Es wird ihm das Herz brechen. Und es ist grausam.
                      Legba: Ich weiss. Aber er wird es ueberleben. Er hat ein starkes Herz.
                      Ezili. Ja. Aber er tut mir leid.
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                        Kapitel 8 - Die, welche zurueck kommen

                        “Radio Lyric FM... ja, was hat der gute alte Legba da wohl reingeschrieben? Ihr werdets noch erfahren, aber noch nicht jetzt. Hier also sogleich das zweite Kapitel fuer heute. Wer jetzt erst zugeschaltet hat, der soll doch zuerst oben nachlesen, was Hari auf seinem psychedelischen Zombietrip erlebt hat - *Moderator grunzt ins Mikrophon* - und wie versprochen, hier also die Faust in den Magen des Gnoms.”

                        Kapitel 8 – Die, welche zurueck kommen


                        Die Trauergruppe stand immer noch vor dem Grab von Hari Seldon. De-Niz beschwor den Toten erneut, aufzustehen. Mit fester Stimme, aber innerlich voll Sorge.

                        Da begann die Erde des Grabes sich zu bewegen und rieselte in sich, ein kleines Loch entstand und eine Hand streckte sich zwischen dem Erdreich hoch gen Himmel.
                        Der Anblick waere erschreckend gewesen, wenn es die Umstehenden nicht erwartet haetten, aber auch so wurde einem jeden unter ihnen mulmig dabei.
                        Man half Hari aus seinem Grab, trug die Erde sanft von Hand ab, da man befuerchtete, ihn ansonsten mit dem Spaten zu verletzen. Jean-Pierre half Hari, sich aus der Erde zu befreien, gab ihm Halt, sich heraus zu ziehen. Er entkroch dem Grab: Bleich und matt, voller Erdklumpen und roechelnd. Sie befreiten ihn von der Kinnbinde, dann dem Faden, der seine Zehen zusammen band, und wischten ihm die Erde mit Tuechern aus dem Gesicht. Man umwickelte ihn mit einem Laken.

                        Sein Blick war ein dumpfes Glotzen. De-Niz fuerchtete, dass etwas schief gegangen war und er nicht als er selber, sondern als Zombi zurueck gekehrt war. Sie biss sich auf die Lippe. Er roechelte und stoehnte und sein Blick war glasig, wie nicht von dieser Welt. Mit ungelenken Bewegungen hob er den Arm und zeigte an seinen Hals.
                        “Wasser.” Sprach Jean-Pierre, und man gab ihm sogleich was zu trinken. Das Wasser rann sein Kinn hinab, als ob er nicht trinken konnte oder wollte.
                        “Hari.” Fluesterte De-Niz und versuchte, ihre eigene Angst nicht zu verraten. “Sag doch was.”

                        Und Hari antwortete nur mit einem dumpfen Stoehnen, das tief erklang, so dass alle erschraken, denn es klang furchterregend. De-Niz schlug die Haende vor dem Gesicht zusammen und fluesterte “nein” und war vor Schreck wie gelaehmt. Warum hatte sie sich auch von ihm zu dieser Dummheit ueberreden lassen? Sie fuehlte sich den Traenen nahe und wollte sich schon abdrehen, da sprach Jean-Pierre:
                        “Es ist alles gut.”

                        De-Niz beugte ihr Gesicht zu Hari uns verlangte eine Fackel, um im Dunkeln sehen zu koennen. Dann sah sie Haris Gesicht, der immer noch mehr Dreck und Erde war. Das feuchte Erdreich glaenzte im Schein der Fackeln und sie musste suchen, bis sie seine Augen sah, und seine Lippen, die sie angrinsten. Seine Lippen oeffneten sich und seine Stimme klang leise und erschoepft, aber es lag ein Lachen darin:

                        “Gib’s zu, fuer einen Moment lang dachtest du, ich waer ein Zombi.”
                        Sie schlug ihm auf die Brust. “Oh, du fieser...” sprach sie zornig. Doch dann hustete er und sie entschied sich, ihm doch keine Standpauke zu halten, sondern drueckte seine Hand. Er erwiederte den Haendedruck dankend und nickte, hustete erneut und man gab ihm erneut Wasser zu trinken. Er setzte sich auf, sass am Rand seines eigenen Grabes und trank und spuckte Wasser und Erde aus.

                        “Das machen wir nie mehr wieder, das war vielleicht ungemuetlich.”
                        Er zog sich das Laken enger, ihn froestelte, da er bis auf das Laken nichts anhatte. Er schaute an sich runter und bemerkte mit einem Laecheln: “Mir war auch gleich so, als haette ich kaelter.”

                        “Sonst waerst du vielleicht nicht zurueck gekommen,” bemerkte De-Niz, “daran hattest du nicht gedacht. Warum hat das so lange gedauert?”
                        Hari schaute in die Ferne und hob die Hand. Er zeigte in die Richtung des Horizonts.

                        “Ich war weit weg... drueben auf dem Festland, als du mich zurueck riefst. Ich musste zuerst wieder hierher zurueck kommen.”
                        “Hast du gefunden, was du gesucht hast?”
                        Hari nickte. “Ja.”
                        “Und?”

                        Er schaute sie an. Auch ohne dass er etwas sagte, konnte sie es aus seinen grauen Augen lesen. Eigentlich wusste sie, dass es so kommen musste, aber es betruebte sie, jetzt wo es feststand, dass sein Schicksal auf dem Kontinent und nicht hier lag. Sie senkte den Blick und fuehlte gleich seinen Finger an ihrem Kinn, der ihren Blick wieder zu seinem fuehrte.

                        “Danke,” sprach er.
                        Und es war eine ehrliche Dankbarkeit, die wirklich von tiefstem Herzen kam. Denn trotz des Schmutzes strahlte er vor Glueck, und das hatte er ihr zu verdanken. Jetzt war diese endlose Gruebelei zuende, eine Last, die er sich selber zu verdanken hatte, war von ihm abgefallen. Er war mit sich im Reinen und gluecklich darueber, zu wissen, wer er war und was er wollte. Die Zufriedenheit, die er ausstrahlte, war ansteckend, so dass sie gluecklich war, ihn gluecklich zu sehen.

                        “Ich bin todmuede,” sprach er. Sie lachte ueber diese Bemerkung.
                        Dann halfen sie ihm auf und legten ihn auf die Bahre und trugen ihn zurueck. De-Niz hielt waehrenddessen seine Hand. Sie sprachen kein Wort, die Hunsi sangen ein Lied, in welchem den Loa gedankt wurde fuer die Rueckkehr des Bruders. Es wurde normalerweise gesungen, wenn die Fischer zurueck kehrten, aber es passte auf diese Gelegenheit.

                        Auf dem Rueckweg fiel er in einen leichten Daemmerzustand und er war sich nicht sicher, ob er die Hand von Ezili oder die von De-Niz hielt. Aber er dachte wieder viele nette Dinge und er bemerkte, dass sie jedesmal, wenn er das tat, seine Hand dankbar drueckte.
                        Im Humfo half man ihm, sich zu waschen und legte ihn dann ins Bett. Er schlief sogleich ein und er schlaf einen langen, tiefen Schlaf, zufrieden und im Reinen mit sich und seiner Zukunft.




                        Am Morgen danach, es war bereits spaeter, erwachte er. Er hatte lange geschlafen und man hatte ihn ausschlafen gelassen.

                        Nun, man mag ja sein Schicksal erfahren, man mag nach einer langen Strecke endlich an seinem Ziel angelangt sein, und allen Grund haben, sich gut zu fuehlen, aber die Wahrheit war, dass Hari nach den letzten zwei Tagen hundselend zumute war. Hatte er seine Sorgen erfolgreich hinter sich gelassen, so hatte er es mit koerperlicher Erschoepfung bezahlt: Zwei Besessenheiten, die Fremdverwendung seines Koerpers fuer Liebestollheiten, blutig gekratzt zu werden, sodann die Unmengen von Alkohol, die sein Koerper in den letzten zwei Tagen zu sich genommen hatte, desweiteren seinen Koerper vergiften lassen, ihn bestatten zu lassen und dann wieder aus dem Grab heraus zu kriechen, das alles schlug jetzt zu: Der Gnom verfluchte jeden seiner Muskel und musste sich zwingen, aufzustehen und sich zu waschen.

                        Der Humfo war bereits zu Leben erwacht. Hari beobachtete mit muerrischer Laune wegen seines Zustandes das Treiben. In der Hand hielt er einen Kaffee, bereits seine zweite Tasse. Kaffee war sein Allheilmittel gegen allen Schmerz. Macht den Koerper wieder wach, redete er sich gerne ein.
                        De-Niz gab Anordnungen, stand in der Mitte des Platzes und scheuchte ihre Hunsi umher. Sie blickte einmal in seine Richtung und nickte ihm laechelnd zu. Er nickte zurueck. Er fragte, ob er helfen koenne. Ihm waere so elend zumute...
                        Das waere das Gift des Zaubers, entgegnete De-Niz. Und nein, er koenne nicht helfen.

                        Also verzog sich Hari wieder in die Kueche und trank Kaffee und rauchte.

                        Dann erklang der Ruf vom Tor, dass die Gruppe mit den Toechtern von De-Niz zu sehen waere. Der viele Kaffee hatte Hari unruhig gemacht. Als De-Niz zu ihm kam, und ihm sagte, er solle mit ihr kommen, sie wuerden draussen vor dem Tor warten, ging er schweigend hinter ihr her. De-Niz laechelte ihm zwar zu, und gab ihm auch einen liebevollen Knuff, aber sie schien selber auch in Gedanken zu sein.

                        Also standen sie draussen stumm und beobachteten den groesser werdenden Punkt, der in Richtung des Humfo zog, bis er zu einer feinen Linie anwuchs und schliesslich konnte man Personen vage erkennen. Sie hoerten, dass die Gruppe sang. Gleich einer Prozession, die nach Hause zurueck kehrte. Der Wind frischte auf und dennoch fuehlte sich Hari immer noch flau.

                        “Welches sind deine Toechter?”
                        Er verfluchte sich innerlich, dass er nur Kaffee getrunken und nichts gegessen hatte, denn seine Stimme zitterte, wie ihm auffiel. Er raeusperte sich. De-Niz schaute zu ihm und ein Laecheln huschte ueber ihr Gesicht.
                        “Die zwei ganz vorne.”
                        Hari blinzelte mit den Augen und kniff sie zusammen, um sie trotz der Entfernung auszumachen. Es fiel ihm ein, dass er De-Niz noch gar nicht ausgefragt hatte, was denn mit dem Vater waere, wo dieser sei und so weiter. Er wuerde sie heute abend dann fragen, jetzt war ihm nicht danach.

                        Es dauerte nochmals ein paar Minuten, dann konnte man die Gesichter erkennen.
                        Hari hoerte die hellen Stimmen der Toechter, die lachten und sangen und die Prozession unterhielten.
                        Dann konnte er sie sehen, sie unterschieden sich wie Tag und Nacht: Die eine mit hellem, die andere mit dunklem Teint; die helle von kleinem Wuchs und die dunkle gross. Seine Unruhe wurde groesser und er fuehlte, wie sich sein Koerper verkrampfte. Ihm daemmerte ein Gedanke, welcher seinen Koerper auf einen Schlag erfasste.

                        Er schaute zu De-Niz hoch.
                        Sie hatte die Lippen zu einer schmalen Linie gepresst und hing immer noch ihren eigenen Gedanken nach.
                        Er konnte nicht sprechen. De-Niz schaute ihn an, den bleichen Gnom mit dem fragenden Blick und rang sich ein Laecheln ab. Sie nickte und schaute dann wieder zur Prozession.
                        Hari erschrak, denn dieses Nicken war die Bestaetigung dessen, was er erahnt hatte. Ihm war, als waere sein Koerper zentnerschwer, das Atem fiel ihm schwerer. Seine Augen weiteten sich und er fuehlte einen Schweisstropfen, der seine kalte Stirn herab rann. Wie im Fieber hoerte er die Stimme von De-Niz, welche die Wahrheit aussprach und damit auch den letzten Zweifel aus der Welt raeumte:




                        (auf Spoiler klicken, erst nachdem ihr alles oben gelesen habt. Macht mehr Spass, glaubt's mir.)


                        “Und hier machen wir mal einen Zwischenhalt, das ist ein guter Cliffhanger, finde ich. Geniesst das Wochenende, es geht erst naechste Woche wieder weiter.”
                        - Die Abenteuer der RPG-Gruppe aka die Tote Harpyie aka die Nachtschicht des Chats
                        - Solostory des Gnoms: Hari Seldon und der Vudu

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                          #13
                          sooo habe 2. kapitel gelesen....

                          zu bemängeln gibt es einfach nichts .... zumin nichts was mich stört

                          ich bin jedes mal wieder am staunen wie gut du das verfassen hin bekommst ...

                          eigentlich bin ich mehr der typ der sofort action in geschichten will, aber deine geschichte wird auch so nicht langweilig, weils einfah fesselnd ist wie genau du alles beschreibst . man kann sich einfach ein wunderschönes bild machen

                          MfG
                          sigpic
                          Madness is rising. What will it give to you? Undeniable power of chaos or the power to stop this?
                          What is your choice? Will you love or hate it?

                          Über 5.000 Hits mit meiner ersten Geschichte "Die Legende von Tanar"

                          Über 10.000 Hits mit meiner zweiten Geschichte "Die Legende von Tanar II"

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                            #14
                            Danke, Fegefeuer.
                            Ja, vorallem das mit der Action wusste ich. und dachte mir auch, das koennte langweilig zu lesen sein... Aber wenn es trotzdem packt, dann ist es gut. Ist halt, wie ich gesagt habe, mehr ne romantisch-sentimentale Geschichte, aber ich glaube, es rollt trotzdem an und baut sich auf.

                            Und Hari wird schon noch richtig auf "Abenteuer" losziehen und am Ende kommen die Straenge richtig schaurig zusammen.
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                              #15
                              Kapitel 9 - Die Toechter von De-Niz

                              "Haris literarische Nachtstunde, speziell fuer Pandorra (mit Handkuss) und Lunaros (ohne Handkuss)"



                              Kapitel 9 – Die Toechter von De-Niz

                              Die Prozession war bis kurz vor das Tor gekommen, und die beiden Toechter liefen den Weg hinauf, um ihre Mutter zu begruessen. Auch De-Niz lief ihnen entgegen, um sie zu begruessen. Dann hielten die beiden Toechter ploetzlich und erinnerten sich daran, dass sie auch Hunsi waren, und nicht nur Toechter, und dass sie nicht nur zu ihrer Mutter zurueckgekehrten, sondern auch zu ihrer Mambo.
                              Sie vollfuehrten die das Begruessungszeremoniell gewissenhaft und korrekt, und dann gab ihnen ihre Mutter einen Wink, und sie stuermten in die Arme der Mutter und lachten vor Wiedersehensfreude.

                              Ira, welche von heller Hautfarbe war, und obwohl die Aeltere, war von kleinem Wuchs. Ihre Haare standen ihr wild ab, wie die ihrer Mutter, und waren von einem hellen Gruen. Ihr Gesicht wirkte frech, es war voller Sommersprossen, wie bei ihrer Grossmutter vaeterlicherseits. Sie hatte die Stupsnase ihrer Mutter, und das runde Gesicht ihres Vaters. Dass sie zu einem viertel eine Daemonin war, konnte man hoechstens noch an den spitzen Ohren ablesen, aber auch nur, wenn man es wusste. Mbele, die juengere Tochter war das Gegenteil von Ira: Wenn Ira so hell wie der Tag war und die Froehlichkeit des Sommers verbreitete, dann war Mbele die dunkle, nachdenkliche, schweigsame Nacht. Obwohl Mbele die juengere der beiden war, wirkte sie um einiges erwachsener, was aber ihrer aeusseren Erscheinung zu verdanken war: Bei ihr war das Erbe ihres Grossvaters, des Daemonen, durchgebrochen. Ihr Kopf, zwischen dem schwarzen, glatten Haar, wurde gekroent von zwei Hoerner, und in ihrem Gesicht, das so fein gegliedert war wie jenes ihrer Mutter, leuchteten zwei rote Augen wie funkelnde Rubine, die alles um sie herum kuehl zu mustern schienen. Auf ihrer Stirn waren die Furchen und Woelbungen einer Daemonin, was ihrem Gesicht die strenge, erwachsene Wirkung gab. Wenn sie lachte, sah man rasiermesserscharfe Zaehne und eine gespaltene Zunge – wenn man den Anblick nicht gewoehnt war, und das war auf dieser Insel immer der Fall, dann erschrak man zutiefst, wenn Mbele lachte. Deswegen lachte Mbele selten.

                              De-Niz kniete vor ihren Toechtern und sprach mit ihnen. Hari konnte nichts hoeren, aber sein Blick war auf Ira gerichtet. Das Maedchen laechelte ihm zu. De-Niz hielt ihre Hand und sprach ihr zu. Dann schaute De-Niz kurz zu Hari zurueck, wandte sich wieder Ira zu und redete weiter. Ira senkte ihren Blick und schaute ihrer Mutter ins Gesicht. De-Niz sprach weiter und hob ihren Finger mahnend. Ira nickte und wurde schliesslich erneut von ihrer Mutter umarmt.

                              Hari stand wie erstarrt vor dem Tor und wirkte so hilflos wie ein junges Tier.

                              Nun ist es allgemein bekannt, dass selbst die staerksten und selbstsichersten Maenner in jenem Moment, da sie Vater geworden sind, zu den duemmsten, hilflosesten und erbarmungswuerdigsten Geschoepfen werden, die man sich ueberhaupt denken kann. Insbesondere waehrend der Geburt verkehren sie sich in ihr eigenes Gegenteil: Der Staerkste wird so schwach, dass er sich setzen muss, der Ruhige geraet in die groesste Nervoesitaet, macht alle unruhig um ihn; jener, welcher normalerweise gewandt im Umgang mit Worten ist, kriegt ploetzlich kein einziges vernuenftiges Wort mehr heraus; und noch der Gefassteste, der Stoiker unter allen Maennern, wird angesichts der kurz bevor stehenden Vaterschaft zu einem zitternden Buendel, das ununterbrochen weint. Maenner, die mit der Vaterschaft konfrontiert werden, sind hilfloser, orientierungsloser als ihr eigenes Kind, das eben zur Welt kommt. Waehrend ein Kind nach der Geburt allmaehlich zu einem Erwachsenen wird, so koennte man sagen, verwandelt sich der Mann waehrend der Geburt zurueck und wird wieder Kind, kindischer noch als das Kind selbst. Ein umgekehrter Reifungsprozess. Selbst die Weisesten und die Gelehrten in ihren Elfenbeintuermen, die sich ausfuehrlich mit diesem Thema beschaeftigen und meinen, gefasst zu sein und vor derlei Anwandlungen gefeilt zu sein, muessen danach zugeben, dass es doch etwas anderes ist, es am eigenen Leibe zu erleben. Die Frauen dieser Gelehrten uebrigens, die man selten zu dem Thema befragt, wuerden bloss die Augen verdrehen und folgendes sagen: “Nach meiner Geburt hatte ich nicht ein Kinder, sondern zwei: Eines in meinem Arm, das an meiner Brust sabberte, und ein zweites, das im Raum auf- und abging, ebenfalls sabberte und Bloedsinn brabbelte, bis ich es rausscheuchte, und das einst mal mein Mann gewesen war. Obwohl ich eben durch stundenlange Schmerzen hindurch gegangen war, schien ich die einzige in der Familie mit Verstand zu sein.”

                              Dies gesagt, muessen wir sagen, dass wir uns schlecht eine Vorstellung machen koennen, wie sich Hari Seldon injenem Moment fuehlte. Zumal er nicht einfach mit den Freuden der Vaterschaft konfrontiert worden war, sondern zugleich damit, dass er seit zwoelf Jahren eine Tochter hatte, von der er nichts gewusst hatte. Wie gesagt, es laesst sich kaum beschreiben. Und als De-Niz ihn am Abend fragte, was er gedacht haette, in jenem Moment, da sprach er genau diesen Satz zu ihr: Es laesst sich nicht beschreiben.

                              Wie also De-Niz mit ihren Toechtern zu ihm kam, an jeder Hand eines der Maedchen, und ihnen beschied, ihn zu begruessen, war Hari immer noch wie gelaehmt. Mbele laechelte ihn an und zeigte ihre scharfen Zaehne. Sie wirkte wie ein gefaehrliches Tier, das ihn zerfleischen wollte. Hari rang sich zu einem Laecheln und nickte dem kleinen Ungeheuer zu. Dann fiel sein Blick auf Ira, die ihn keck anschaute, ihn musterte. Sie trat nach vorne und umarmte ihn:
                              “Hallo, pere.”

                              Durch die ploetzliche Umarmung und die Begruessung wurde Hari ein wenig aus seiner Starre befreit, und er erwiederte die Umarmung, aber nur leicht, nur zaghaft, teils weil immer noch nicht wirklich wahrgenommen hatte, dass dies seine leibhaftige Tochter war, die da vor ihm stand, teils weil er Angst hatte. Angst vor ihr, Angst um sie, Angst davor, dass sie ihm boese war, weil sie sich erst jetzt das erste mal sahen. Er hatte Angst davor, dass er als Vater bereits versagt hatte, bevor er ueberhaupt eine Chance gehabt hatte, sie kennen zu lernen. Er brachte kein Wort hervor vor lauter Angst.
                              Ira, die noch kleiner war als er, schaute zu ihm rauf mit ihren grossen Augen, die von demselben Grau waren wie seine eigenen. “Bist du traurig, pere?” fragte sie sanft. Hari bemerkte die Traenen, die ihm runterliefen. Ira strich ihm mit ihrer kleinen Hand ueber die Wangen. Hari hielt seine Tochter an den Schultern. Er studierte ihr Gesicht, jedes kleine Detail.
                              Mal war ihm, er wuerde in einen Spiegel schauen, dann war ihm, als wuerde er De-Niz vor sich sehen, und dann verschwamm das alles zu einer neuen Person und er sah seine Tochter. Ihm war so elend zumute, als haette er einen Schlag in den Magen erhalten, und gleichzeitig war er ergriffen: Noch nie hatte er etwas Schoeneres gesehen. Er war auf hohen Bergspitzen gesehen und hatte die Weiten des Kontinents gesehen, die Schoenheiten der Natur, die ihn in Erstaunen versetzt hatten. Jedesmal war er von neuem inmitten erhabener Landschaften gestanden und haette es nicht fuer moeglich gehalten, dass eine solche Groesse, eine solche Schoenheit vorkommen koennte. Aber das alles schien nur ein hunderstel so eindrucksvoll wie der Anblick seiner eigenen Tochter. Er war vor Bergen gestanden, die ihm klar machten, wie klein und unbedeutend er doch war. Und jetzt stand er vor einem Maedchen und fuehlte sich noch viel kleiner und unbedeutender als vor dem groessten Berg.
                              “Nein,” sprach er leise, und seine Stimme ueberschlug sich, wurde Kraechzen. Er raeusperte sich und sprach gequaelt: “Nein, ich bin gluecklich, Tochter.”
                              Tochter! Dieses Wort fuellte ihn mit Stolz und Scham zugleich. Dann sprach er ihren Namen, fluesterte ihn fast bloss, als ob es ihm nicht zustand, ihn auszusprechen. Kein Wort hatte ihm mehr Freude und Schmerz bereitet als jenes Wort auszusprechen:
                              “Ira.”

                              Und es war zu viel fuer ihn. Seine Schultern zuckten und er verlor die Kontrolle, fing an, zu schluchzen. War nur ein Haufen Fleisch, der zuckte. Er verbarg sein Gesicht.
                              Ira schaute fragend zu ihrer Mutter. De-Niz sprach zu den Kindern, sie sollten reingehen und spielen, und trug den anderen auf, sich ebenfalls hinein zu begeben, sowie eine Flasche Rum und zwei Glaeser zu bringen.

                              Dann ging sie zu Hari und kniete sich neben ihn, denn er war in sich zusammen gesunken. Sie nahm ihn in den Arm und troestete ihn, waehrend er an ihrer Schulter weinte und sein Koerper immer wieder zitterte und bebte, mal vor Glueck und dann vor Trauer.
                              Das zitternde Wrack, der frisch gebackene Vater, schluchzte und lachte zugleich, und murmelte immerzu “meine Tochter” und “Ira”. De-Niz fluesterte ihm beruhigend zu und strich ihm durch das Haar.

                              Als man ihnen den Rum rausbrachte und sie wieder alleine waren, hatte sich Hari wieder ein wenig gesammelt. De-Niz schenkte ihnen ein und Hari wischte sich die Traenen am Aermel ab und laechelte aus seinem roten, verquollenen Gesicht.
                              Jetzt begann er unzusammenhaengend vor sich hin zu brabbeln:

                              “Sie ist so schoen, so schoen. Ich habe noch nie sowas Schoenes gesehen. Und ihre Augen, sie blicken einen an, wie....”
                              “Es sind deine Augen.”
                              “Und die Nase ist von dir, diese kleine, suesse Nase. Ich weiss gar nicht, wie sie damit atmen kann, nein, die ist so klein. Und hast du ihre Haende gesehen, sie sind auch so klein. Sie ist so klein und so zart und wenn ich sie anschaue, habe ich das Gefuehl, ich sehe die ganze Welt und die ganze Welt schaut mich an. Das ist doch verrueckt, das ist einzigartig, so was darf es doch gar nicht geben! Es ist so schoen, so schoen ist sie. Es macht Angst, sie anzusehen. Wie ein Spiegel, nein wie ein Spiegelbild, nein wie ein Traumbild. Aber sie ist doch echt, nicht wahr, ich habe eine Tochter, das ist wirklich?”
                              “Ja, m’ptit. Du hast eine Tochter, sie ist echt.”
                              “Wie schoen sie ist, ihre Augen, ihre Augen!”
                              “Das hast du schon gesagt.”
                              “Ja, aber hast du sie auch gesehen, diese Augen!”
                              “Jeden Tag, m’ptit. Jeden Tag.”
                              “Sie ist das schoenste, was ich je gesehen habe. Sie ist das schoenste Kind, das es jemals gegeben hat.”
                              “Das sagen alle Vaeter von ihren Toechtern. Jeder meint, seine waere die Schoenste.”
                              “Mag sein, dass das alle sagen, aber ich schwoere, sie ist wirklich die Schoenste.”
                              “Hier, nimm ein Glas und trink.”
                              “Und sie ist schon so gross, obwohl sie auch noch so klein ist.”

                              Hari setzte sich auf und trank sein Glas aus. Der Schock war gewichen und er fuellte sein Glas erneut. Er fuehlte sein Glueck und fuehlte den Stolz ueber seine Tochter, ganz einfach, weil es sie gab.

                              “Ich bin Vater,” murmelte er, “ich habe eine Tochter, eine Tochter habe ich. Sie heisst Ira und ich bin ihr Vater. Ich, Hari Seldon, bin Vater.”
                              Er wollte gerade das zweite Glas zur Lippe fuehren, da daemmerte ihm was und er blickte zu De-Niz rueber, die ihn gluecklich beobachtete. “Heee... Hari, Ira... du hast ihr meinen Namen gegeben, nur rueckwaerts! Und es ist mir bis jetzt nicht aufgefallen.”
                              De-Niz lachte: “Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, wie lange es dauern wuerde, bis du es merkst. Zugegeben, fuer einen klugen Kerl wie dich, dachte ich, wuerdest du schneller kombinieren. Hast du wirklich nichts geahnt?”
                              “Nein, es war so ueberraschend. Aber irgendwie habe ich vielleicht doch etwas geahnt. Mir war so komisch heute, aber ich dachte, das waere wegen des Kaffees gewesen.”

                              Sie stiessen an und lachten beide. Sie schauten zum Horizont und waren einen Moment still, bis Hari wieder zu reden begann: “Woher haette ich denn auch wissen koennen... warum hast du mir nie etwas gesagt, warum... warum hast du mir nie eine Nachricht zukommen lassen?”
                              Es lag ein Hauch von einem Vorwurf in Haris Worten: “Warum musste ich hierher kommen und musste es so erfahren, nach 12 Jahren erst? Was, wenn ich nie mehr zurueck gekommen waere? Ich haette nie davon erfahren...”
                              “Ich wollte es so.” Sie senkte die Augen und schaute zu Boden.
                              “Aber warum? Sie ist doch auch meine Tochter.”
                              De-Niz schaute wieder auf, und ihre Worte versuchten nichts zu rechtfertigen: “Du warst nicht da und es war so wie immer. Meine Mutter hat mich aufgezogen, ohne dass ich einen Vater gehabt haette, und bereits ihre Mutter hatte sie ohne Vater aufgezogen. Warum sollte ich nicht ebenfalls meine Tochter ohne ihren Vater aufziehen? Die Tochter benoetigt den Vater nicht, und die Mutter benoetigt den Mann nicht, um ihre Tochter aufzuziehen. So war das seit je her in unserer Familie, und warum sollte es bei mir anders sein? Als du gegangen warst, warst du weg, so wie alle Maenner irgendwann weg waren.”

                              Hari nickte. “Als ich ging,” murmelte er. “Wusstest du damals schon, dass...”
                              “Nein,” schnitt ihm De-Niz das Wort ab. “Erst zwei Wochen spaeter. Aber das spielte keine Rolle mehr, du warst schon weg.”
                              “Ja.”
                              Hari drehte sich eine Zigarette, waehrend De-Niz das Gras vor ihr aus der Erde riss. Er fragte leise: “War es schwierig fuer dich?”
                              “Was glaubsts du?”
                              Sie klang zornig und schaute nur kurz in seine Richtung. Dann riss sie weiter das Gras aus. Hari nickte.

                              Sie schnaubte veraechtlich, warf das Gras weg und zog die Beine an. Sie schaute zum Horizont. Als sie sprach, hoerte Hari den Zorn in ihrer Stimme, ueber das, was vor 12 Jahren gewesen war:

                              “Ich habe dich gehasst, danach. Ich habe dich geliebt, trotzdem. Ich habe mich gehasst. Weil ich dich liebte. Weil ich dich gehen liess. Ich war jung, und ich hatte Angst. Ich haette dich gebraucht. In den Naechten weinte ich und ich flehte zu den Loa, dass sie dich zurueck schickten. Mein Bauch wurde groesser und groesser, so dass es jeder sehen konnte. Ich fuehlte ihre Blicke, empfand es als Strafe, dafuer, dass ich dich hatte gehen lassen, dass ich so dumm gewesen war, mich auf dich einzulassen. Mir grauste vor dem Kind, ich trug es wie eine Schuld vor mir her: Sich ein Kind machen lassen und dann auch noch so daemlich sein, den Vater wegzuschicken, oder ihn gehen zu lassen.
                              Ich vermisste dich und fuehlte mich dumm und hilflos. Immer wieder bat ich die Loa, dich zurueck zu bringen, flehte sie an. Und als sie es nicht taten, da flehte ich sie an, mir wenigstens ein Zeichen von dir zu schicken. Jedoch es kam keines. Und da hasste ich dich und schimpfte ueber dich, und schimpfte ueber den Bauch, ueber dein Kind. Immer wieder schwankte ich zwischen Liebe und Hass zu dir, wollte dich bei mir haben und wollte, dass du aus meinem Leben verschwindest. Als ich niederkam, da schrie ich deinen Namen tausendmal, immer wieder, so laut ich konnte: Damit du mich hoeren wuerdest. Jetzt bat ich nicht mehr die Loa, jetzt bat ich dich, mir beizustehen. Dann verfluchte ich dich, im naechsten Moment. Dann schrie ich wieder nach dir. Mit jeder Welle des Schmerzes schrie ich meinen Hass auf dich hinaus, wuenschte dir die selben Schmerzen, und gleich darauf bat ich dich wieder, mir nicht boese zu sein, und zu mir zu kommen. Und ich merkte, dass du nicht kamst, also schrie ich, ich wuerde das Kind nicht gebaeren. Ich gebaerdete mich wie wild und heib auf alle Seiten, ich wuerde das Kind in mir lassen, bis dass du kommen wuerdest. Und dann kam es dennoch und ich bat es, es moege doch warten, befahl ihm, drinnen zu bleiben, schrie und tobte in einem fort. Aber es kam trotzdem.
                              Und da die Schmerzen zurueck gingen, und es war vorbei, du warst nicht gekommen, da wurde ich wieder sanfter. Sie gaben mir das Kind in die Arme, als sie das sahen.
                              Und ich hielt es in meinen Armen und sah seine Augen, die ja die deinen waren und mir war, als waerst du doch zurueck gekommen. Und ich begriff, dass ein Teil von dir in meinen Armen lag. Sie war zum gleichen Teil von dir wie von mir, und das erschien mir gerecht. Denn: Hatte ich dich nicht bei mir wollen? Hatte ich dich nicht zum gleichen Teil auch von mir gestossen? Hatte ich dich nicht von dieser Insel wegzugehen geboten und gleichzeitig darum gehofft, dass du bleibst? Hatte ich dich nicht geliebt wie auch gehasst? Hatten die Loa also nicht richtig gehandelt, nachdem ich ihnen soviele male gesagt hatte, dass ich dich wollte, wie auch, dass ich dich nicht wollte? Sie hatten mir ein Wesen gegeben, dass beides beinhielt. Es bestand zur Haelfte aus dir, und die andere Haelfte sollte ich selber ausfuellen.
                              Und wie mir das bewusst wurde, und wie ich das Kind in den Armen hielt, da wich meine Besessenheit zu dir von mir, meine Liebe und mein Hass zu dir waren weg, waren ausgeschrien oder waren in diesem Wesen. Und statt dessen war ich erfuellt mit Zufriedenheit, dieses kleine Wesen in meiner Obhut zu haben.
                              Und wenn immer ich sie ansah oder sie mich mit deinen Augen ansah, erinnerte ich mich, dass ein jedes Ding zwei Seiten hat, im ewigen Kampf, ohne dass das eine davon das andere verdraengen darf, denn sonst bestuende das Ganze nicht mehr aus zwei Teilen, sondern waere nur noch ein Teil alleine, und damit kein Ganzes mehr. Also wie das Feuer, das sowohl Brennholz wie auch die Flamme benoetigt, waehrend weder Brennholz alleine, noch die Flamme allein ein Feuer sein koennen.”
                              - Die Abenteuer der RPG-Gruppe aka die Tote Harpyie aka die Nachtschicht des Chats
                              - Solostory des Gnoms: Hari Seldon und der Vudu

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